Die Schattenseiten der Energiewende – der paradoxe Stromaußenhandel

Von | 23. November 2023

Die Energiewende hat unerwartete Folgen beim Stromaußenhandel. Deutschland zahlt dafür, überschüssige grüne Energie im Ausland zu speichern und kauft sie dann viel teuer zurück. Die FDP hat Kritik an dieser Situation geäußert. Sie fordert eine sorgfältig und fair berechnete nationale Energiestrategie (FAZ: 07.11.23).

Die teuren Konsequenzen der grünen Energie: Warum Deutschland für Stromexport zahlt und Steuerzahler belastet

Um die Wettbewerbsfähigkeit von Wind- und Solaranlagen zu bewerten, sind nicht nur die betriebswirtschaftlichen Kosten, sondern auch die volkswirtschaftlichen Systemkosten zu berücksichtigen. Diese beinhalten Ausgaben für Reservekraftwerke, Speicherung, Netzausbau und Netzsteuerung. Aufgrund der Unvorhersehbarkeit grüner Energie sind die Systemkosten besonders hoch.

Die teuren Konsequenzen der grünen Energie beim Stromaußenhandel: Warum Deutschland Strom billig ins Ausland exportiert und teuer importiert

Grüne Energie ist wetter- und tageszeitabhängig und schwer zu speichern. Oft muss Deutschland Strom importieren, wenn die erneuerbaren Energien nicht ausreichen. Dies geschieht oft zu niedrigen Preisen, manchmal sogar kostenlos, und gelegentlich muss Deutschland eine Abnahmegebühr zahlen.

Die Inflexibilität der erneuerbaren Energien führt dazu, dass Deutschland überschüssigen Strom ins Ausland exportiert und teuer wieder importiert. Dies ist für die Steuerzahler teuer. Die Produzenten erhalten jedoch Entschädigungen für das Abschalten ihrer Anlagen.

Milliardenkosten für Strom in Deutschland: Die Debatte um Entschädigungen und den Stromaußenhandel

Die Bundesnetzagentur meldet, dass die Entschädigungszahlungen von 44 Millionen Euro im Jahr 2013 auf 900 Millionen Euro im Jahr 2022 gestiegen sind. Diese Kosten tragen die Verbraucher über Netzentgelte. Insgesamt belaufen sich die Kosten für das Netzengpassmanagement auf 4,2 Milliarden Euro pro Jahr.

Das Bundeswirtschaftsministerium widerspricht dieser Kritik und erklärt, dass die Abschaltungen aufgrund von Netzengpässen erfolgen, nicht aufgrund von negativen Preisen. Es ist gesetzlich festgelegt, dass kein Stromanbieter benachteiligt werden darf. Das EEG sieht vor, dass Ökostromerzeuger auch bei negativen Preisen gefördert werden, aber diese Unterstützung wird schrittweise reduziert und wird bis 2027 für Neuanlagen vollständig entfallen.

Stromaußenhandel: Die Debatte um negative Preise und die Energiewende

Ist der Vorwurf eines fehlgeleiteten Stromaußenhandels gerechtfertigt? Das Ministerium sieht dies anders und spricht von einem gut funktionierenden europäischen Elektrizitätsbinnenmarkt. Ohne den Import müsste Strom zu bestimmten Zeiten fossil erzeugt werden, was die CO₂-Emissionen und die Kosten für Verbraucher erhöhen würde. Der Sprecher betont, dass der grenzüberschreitende Stromhandel die Gesamtkosten minimiert, insbesondere beim Export von erneuerbarem Strom.

Experten haben unterschiedliche Meinungen dazu. Das Ifo-Institut in München stimmt dem Ministerium zu. Negative Preise könnten als eine Art Speichergebühr betrachtet werden, die die Ausspeicherung ermöglicht, wenn Strom knapp ist. Negative Preise entstehen oft dann, wenn das Herunterfahren teuer oder nicht schnell genug ist, oder wenn die Förderung trotz negativer Preise weiterläuft.

Stromexport und negative Preise: Die wachsende Sorge um Deutschlands Energiepolitik

Julius Ecke von Enervis erklärt, dass Pumpspeicherkraftwerke Strom eher aufnehmen, wenn die Preise niedrig sind. Die negativen Strompreise sind nicht allein auf erneuerbare Energien zurückzuführen, sondern auf allgemeine Inflexibilität bei der Stromerzeugung. Im Jahr 2022 gab es laut dem Ministerium nur 70 Stunden mit negativen Strompreisen.

Manuel Frondel vom RWI in Essen ist besorgter. Er sagt, dass Deutschland manchmal seinen Strom zu niedrigen Preisen ins Ausland verkauft oder sogar dafür bezahlt. In Zeiten hoher Nachfrage und geringem Angebot an grünem Strom importiert Deutschland dann zu hohen Preisen. Der Preisunterschied zwischen Export und Import ist erheblich, was zu zusätzlichen Kosten führt. Im zweiten Quartal betrug der mittlere Exportpreis 74 Euro je Megawattstunde, während Deutschland 102 Euro für den Import zahlen musste, was 38 Prozent mehr ist. In diesem Zeitraum überstieg die Einfuhr die Ausfuhr um 8 Millionen Megawattstunden.

Es stimmt, dass konventionelle Kraftwerke bei geringer Nachfrage weiterhin produzieren, da das Herunterfahren teuer ist. Die eigentliche Ursache für negative Strompreise liegt jedoch nicht bei diesen Kraftwerken, sondern in der Unflexibilität erneuerbarer Energien, so sagt Manuel Frondel, Energieökonom an der Universität Bochum.

Die Debatte über negative Preise und die Zukunft der erneuerbaren Energien

Frondel unterstützt die Aussage von Christian Dürr, dem FDP-Fraktionsvorsitzenden, dass Deutschland im Ausland doppelt zahlt: einmal für die Abnahme und Speicherung von Strom und dann erneut für den Rückkauf. Negative Strompreise zeigen Ineffizienzen auf, da grüner Strom produziert wird, obwohl die Nachfrage fehlt. Das Ausland profitiert von diesem günstigen Überschussstrom.

Obwohl negative Preise noch selten vorkommen, werden sie laut Frondel häufiger auftreten, je mehr erneuerbare Energien ausgebaut werden. Mit der Elektrifizierung von Industrie, Verkehr und Heizungen bis 2030 könnte die grüne Kapazität auf 100 GW steigen, während die Ausbaupläne bereits 330 GW an Photovoltaik und Windkraft an Land vorsehen. Dies könnte zu einer Überproduktion an sonnigen und windigen Tagen führen, was zu Abschaltungen führt, die nicht vom Markt, sondern von den Netzbetreibern gesteuert werden – eine Art von Planwirtschaft, die laut Frondel nicht weitergehen sollte.

Frondel fordert wie Dürr ein Ende der Entschädigungszahlungen für ungenutzten Grünstrom und warnt vor Fehlinvestitionen. Er geht sogar noch weiter und möchte die Verantwortung für die Speicherung von Überschüssen den Erzeugern übertragen. Zukünftige Investoren in Solar- und Windparks sollten auch in Speicher investieren oder feste Abnehmer für ihren Strom nachweisen müssen, beispielsweise durch Direktverträge.

Stromspeicherung und Deutschlands Energiewende: Eine Debatte über Kosten, Effizienz und den Stromaußenhandel

Die Art der Stromspeicherung liegt in der Verantwortung der Betreiber erneuerbarer Energien, sei es in Batterien, Pumpspeicherwerken oder als Wasserstoff, so Manuel Frondel. Eine Verpflichtung zur Speicherung würde den Ausbau zwar verlangsamen, aber Fehlinvestitionen vermeiden, argumentiert er. Das Wirtschaftsministerium hingegen lehnt diese Idee ab und sieht darin eine überdimensionierte und ineffiziente Speicherung. Der Ausbau von Speichern in Haushalten und Gewerbegebieten hat in einem Jahr zugenommen, während Großbatteriespeicher ebenfalls gewachsen sind.

David Stadelmann, Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Bayreuth, äußert ähnliche Bedenken und kritisiert, dass Deutschland teuren Hochpreisstrom importiert und wetterabhängigen Billigstrom exportiert, manchmal sogar verschenkt. Dies führt zu einem Defizit für Deutschland. Die Energiewende und die Abschaltung der Kernkraftwerke in Deutschland haben dazu geführt, dass Strom nicht immer dann produziert wird, wenn er am wertvollsten ist, sondern wenn das Wetter es zulässt.

Im Ausland können konventionelle Kraftwerke besser reguliert werden, was es ihnen ermöglicht, Strom zu exportieren, wenn das Wetter in Deutschland ungünstig ist. Die Speicherung von Strom in ausländischen Stauseen macht den deutschen Billigstrom aus Wind und Photovoltaik wertvoller, bevor er als teurer Hochpreisstrom nach Deutschland zurückfließt. Paradoxerweise profitieren ausländische Kernkraftwerke von der deutschen Energiewende und werden weiterbetrieben, während Deutschland auf subventionierten Billigstrom setzt.

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