Lindners Forderung nach mehr Risikobereitschaft bringt Stahl-Boss in Rage

Von | 23. September 2024

Bundesfinanzminister Christian Lindner fordert, dass Unternehmen mehr Risikobereitschaft zeigen. Er betrachtet die Risikoaversion in der Wirtschaft als eine zentrale Hürde für das angestrebte Wirtschaftswachstum. Doch diese Forderung wirkt nicht nur realitätsfern, sondern auch unverantwortlich. Stefan Rauber, Geschäftsführer von Saarstahl, zeigt dafür keinerlei Verständnis. Für ihn ist klar: Solche Aussagen können nur von Personen kommen, die keine konkrete Vorstellung von den tatsächlichen Herausforderungen haben, denen Unternehmen täglich begegnen. „Da lacht doch der Bus!“, spottete Rauber in einem Interview mit der „FAZ“ (faz: 12.09.24).

Lindners Realitätsferne: Warum seine Forderung nach mehr Risikobereitschaft die Industrie in den Abgrund treibt

Lindners Forderung, Unternehmen sollten mutiger und risikobereiter agieren, ignoriert die komplexe Realität der Industrie. Rauber muss ein riesiges Vier-Milliarden-Euro-Projekt umsetzen, das den Umbau der saarländischen Stahlindustrie hin zu Elektro- und Wasserstofftechnologie umfasst. Dieses Vorhaben geschieht nicht in einem wirtschaftlich stabilen Umfeld, sondern unter extrem unsicheren Bedingungen, sowohl ökonomisch als auch politisch.

Finanzminister Lindner fordert mehr Risikobereitschaft von Unternehmen – Stahl-Boss: „Lindner kann gerne mit mir schlaflose Nächte teilen.“
(Photo by Tobias SCHWARZ / AFP)

Es ist nicht nur riskant, sondern auch verantwortungslos, von einem Unternehmer in dieser Situation noch mehr Risiken zu verlangen, ohne dabei die Rahmenbedingungen zu verbessern. Rauber formuliert es treffend: „Lindner kann gerne mit mir schlaflose Nächte teilen.“

Abgehobene Politik und fehlender Realitätssinn

Lindners Forderung steht exemplarisch für die Diskrepanz zwischen politischem Aktionismus und der harten Realität in der Wirtschaft. Stefan Rauber wirft Lindner und der Bundesregierung, insbesondere Kanzler Olaf Scholz, vor, den Bezug zur Realität verloren zu haben. Die Entscheidungsträger in Berlin agieren, laut Rauber, aus einer „Glaskugel“ heraus. Sie verstehen nicht, was in der Praxis tatsächlich passiert, und formulieren Forderungen, die an der Wirklichkeit vorbeigehen.

Als erfahrener Manager und ehemaliger politischer Akteur kann Rauber diese Kluft besonders gut beurteilen. Die Regierung, so seine Kritik, fordert Risiken, ohne die Bedingungen zu schaffen, die diese Risiken kalkulierbar oder tragbar machen würden. In Berlin wird über Wachstum und Innovation gesprochen, doch die nötigen Voraussetzungen – wie stabile wirtschaftliche Rahmenbedingungen – fehlen. Rauber äußert deutliche Zweifel daran, ob die Politik überhaupt die notwendigen Kenntnisse besitzt, um die Herausforderungen der Industrie wirklich zu verstehen. Für ihn ist klar: Hier liegt eine gefährliche Mischung aus Unwissenheit und Ignoranz vor, die der deutschen Wirtschaft schaden könnte.

Fehlende Konzepte für die Stahlindustrie

Die Zukunft der Stahlindustrie steht auf dem Spiel. Der geplante Umbau zu einer klimafreundlichen Stahlproduktion, bei dem grüner Wasserstoff eine zentrale Rolle spielen soll, wird von der Politik als Allheilmittel dargestellt. Doch auch hier zeigt sich Rauber kritisch. Die „Wasserstoffträume“ der Politik entbehren laut ihm jeglicher Grundlage in der aktuellen Marktrealität. Der Grund: Grüner Wasserstoff ist in Europa schlichtweg nicht wettbewerbsfähig. In anderen Regionen der Welt sind erneuerbare Energien und damit auch die Herstellung von grünem Wasserstoff deutlich günstiger.

Für Rauber ist dies ein klares Zeichen, dass die Politik ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Er fordert klare Rahmenbedingungen und insbesondere einen subventionierten Industriestrompreis, um die hohen Energiekosten in Deutschland abzufedern. Ohne solche Maßnahmen sei es für Unternehmen unmöglich, den wirtschaftlichen Wandel voranzutreiben. Doch auch hier stößt Rauber auf taube Ohren: Kanzler Scholz lehnt eine solche Subvention strikt ab. Diese Haltung unterstreicht für Rauber, dass die politischen Entscheidungsträger die Dringlichkeit der Lage nicht erkennen.

Lindners Forderung nach mehr Risikobereitschaft wirkt in diesem Kontext wie ein hohles Schlagwort. Solange die notwendigen Voraussetzungen fehlen, bleibt diese Forderung nicht nur unrealistisch, sondern gefährlich. Sie setzt Unternehmen unter zusätzlichen Druck, ohne ihnen die Werkzeuge an die Hand zu geben, diese Risiken erfolgreich zu managen.

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