Wasserstoff wird oft als Schlüssel zur Lösung der Energieprobleme angepriesen. Die Visionen sind ehrgeizig: In knapp zwei Jahrzehnten soll Deutschland klimaneutral sein, und Wasserstoff soll dort zum Einsatz kommen, wo Elektrifizierung keine Alternative ist. Doch diese großen Pläne scheinen zunehmend eine Wasserstoff-Illusion zu sein, denn sie basieren mehr auf Hoffnungen als auf realistischen Prognosen. Die Realität zeigt eine Vielzahl von Problemen, die bisher kaum gelöst sind (t3n: 26.09.24).
Ambitionierte Ziele, aber kaum Fortschritte
Die deutsche Bundesregierung strebt an, bis 2030 Elektrolyseure mit einer Leistung von 10 Gigawatt zu installieren, um Wasserstoff zu erzeugen. Doch bis heute sind lediglich Anlagen mit einer Leistung von 0,066 Gigawatt in Betrieb. Das sind nicht einmal ein Prozent des anvisierten Ziels. Angesichts dessen ist fraglich, wie realistisch es überhaupt ist, dieses Ziel zu erreichen.
Die Wasserstoff-Illusion: Sind die Visionen von einer klimaneutralen Zukunft mit Wasserstoff realistisch oder nur reine Hoffnung?
Bild: KI-generiert
Noch problematischer: Der Strom, der für die Elektrolyse benötigt wird, fehlt ebenfalls. Es gibt schlichtweg keine ausreichenden Mengen an grünem Strom, um die geplante Wasserstoffproduktion zu stützen. Die Abhängigkeit von externen Importen ist dabei kein Trost, sondern zeigt lediglich, wie weit entfernt Deutschland und die EU von einer eigenständigen Wasserstoffwirtschaft sind.
Wasserstoff als Importgut: Die Illusion vom Selbstversorger
Die Vorstellung, dass der benötigte Wasserstoff größtenteils aus dem Ausland importiert werden soll, ist ebenso problematisch. Zwar gibt es Prognosen, die zeigen, dass Europa theoretisch 50 bis 70 Prozent des Wasserstoffbedarfs decken könnte, doch diese Berichte blenden die enorme Komplexität und die hohen Kosten der Infrastruktur aus. Es fehlt an Pipelines, an Terminals und vor allem an langfristigen, stabilen Lieferbeziehungen. Die ambitionierten Zahlen der Politik erweisen sich bei genauerem Hinsehen als eine Wasserstoff-Illusion, die nicht mehr als vage Annahmen stützt.
Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut setzt auf den Aufbau einer inländischen Wasserstoffwirtschaft, doch auch das erscheint derzeit eher als Wunschdenken. Die Abhängigkeit von ausländischem Wasserstoff wäre enorm, und das führt zu neuen geopolitischen Abhängigkeiten – ähnlich wie bei fossilen Brennstoffen. Kritiker warnen daher, dass Deutschland sich in eine neue Energieabhängigkeit begibt, ohne dass die wirtschaftlichen Vorteile überhaupt klar wären.
Finanzielle Fehlkalkulationen und gescheiterte Projekte
Zahlreiche Wasserstoffprojekte sind bereits in der Planungsphase gescheitert. Das H2-Westküste-Projekt in Schleswig-Holstein ist ein Beispiel für die Realität der Wasserstoffwirtschaft. Trotz einer Förderung von 36 Millionen Euro musste das Projekt aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit eingestellt werden. Dies zeigt, wie riskant die Investitionen in Wasserstoff derzeit sind. Die hohen Erwartungen der Politik stehen im krassen Gegensatz zur Realität der Projekte, die oft nicht rentabel sind.
Auch die Vergabe von EU-Zuschüssen konnte die Lage nicht verbessern. Deutschland war schlicht zu teuer, um im Wettbewerb mit anderen europäischen Ländern mitzuhalten. Stattdessen gingen die Zuschüsse an Projekte in Portugal, Spanien und Norwegen. Dies offenbart eine bittere Wahrheit: Der Traum vom deutschen Vorreiter in der Wasserstofftechnologie ist bisher gescheitert.
China: Der uneinholbare Vorreiter
Während Europa in Bürokratie und Finanzierungsschwierigkeiten feststeckt, zeigt China, wie es anders geht. Der chinesische Ölkonzern Sinopec betreibt die weltweit größte Produktionsanlage für grünen Wasserstoff. Der Vorsprung Chinas ist so groß, dass Europa kaum Chancen hat, diesen Rückstand aufzuholen. Besonders dramatisch wird dies, wenn man bedenkt, dass 68 Prozent der weltweiten Herstellungskapazität für Elektrolyseure in China sitzt. Europa wird zunehmend abhängig von chinesischen Technologien, während es versucht, seine eigenen hochgesteckten Ziele zu erreichen.
Die Wasserstoff-Illusion: Eine Sackgasse für viele Anwendungen
Michael Liebreich, Gründer von Bloomberg New Energy Finance, hat eine „Wasserstoff-Leiter“ entwickelt, die zeigt, für welche Anwendungen Wasserstoff sinnvoll ist – und wo er eine Verschwendung darstellt. Besonders kritisch ist der Einsatz in Bereichen wie Verkehr und Heizung. Hier wäre eine direkte Elektrifizierung deutlich effizienter. Dennoch hält die Politik an der Vorstellung fest, Wasserstoff für alle möglichen Anwendungen zu nutzen, was wirtschaftlich und ökologisch kaum sinnvoll ist.
Gleichzeitig bleibt unklar, wie sich der Wasserstoffbedarf in der Industrie decken lässt. Die Produktion von Düngemitteln oder Stahl könnte den Großteil des verfügbaren Wasserstoffs verschlingen. Hier zeigt sich erneut, wie unrealistisch die derzeitigen Pläne sind. Wasserstoff wird als Allheilmittel verkauft, doch in der Praxis fehlt es an einer klaren Priorisierung und an einer effizienten Nutzung des wertvollen Gases.
Fazit: Wunschdenken ohne Substanz
Die Diskussion um Wasserstoff in der Energiewende ist geprägt von großen Erwartungen und wenig Substanz. Die politischen Ziele sind ambitioniert, doch die Umsetzung lässt massiv zu wünschen übrig. Es gibt keine ausreichende Infrastruktur, die heimische Produktion ist minimal, und die Abhängigkeit von Importen könnte neue geopolitische Risiken schaffen. Gleichzeitig zeigen Länder wie China, wie die Umsetzung einer Wasserstoffwirtschaft tatsächlich aussehen kann – allerdings zum Nachteil Europas.
Die aktuelle Lage stellt sich wie folgt dar: Es fehlen die nötigen Elektrolyseure, um überschüssigen Strom – der ebenfalls nicht vorhanden ist – zu nutzen und Wasserstoff in ein nicht existierendes Netz einzuspeisen. Dieser Wasserstoff soll dann Kraftwerke versorgen, die bisher nur auf dem Papier existieren und für die es keinerlei Investoren gibt. Alternativ könnte der Wasserstoff auch über Schiffe und Häfen transportiert werden, die es jedoch – man ahnt es schon – genauso wenig gibt wie die entsprechenden Lieferländer. Diese gesamte Situation lässt die groß angekündigten Pläne wie eine Wasserstoff-Illusion erscheinen, die weit entfernt von der Realität ist.
Am Ende bleibt die Frage offen: Ist Wasserstoff tatsächlich der Hoffnungsträger, der die Energieprobleme Europas lösen kann? Oder ist die Technologie überbewertet? Bislang scheint es eher Letzteres zu sein. Die Herausforderungen übersteigen bei weitem das, was derzeit umsetzbar ist. Wasserstoff mag Teil der Lösung sein, doch als Allheilmittel taugt er nicht – zumindest nicht in der Realität, in der wir uns aktuell befinden.
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