Die gesetzlichen Rücklagen für den Rückbau von Windkraftanlagen sind deutlich zu niedrig angesetzt. Viele Betreiber können die tatsächlichen Rückbaukosten heute bereits nicht mehr vollständig bezahlen, was zu erheblichen finanziellen und rechtlichen Problemen führt. Nach der Betriebszeit, die meist etwa 20 Jahre beträgt, müssen Windkraftanlagen komplett abgebaut werden. Dies stellt viele Betreiber vor immense Herausforderungen, da die Rückbaukosten durch die gesetzlich vorgeschriebenen Rücklagen oft nicht ausreichend gedeckt sind (hna: 03.10.24).
Windkraft: Warum gigantische Rückbaukosten Betreiber in die Knie zwingen
Früher hatten Windkraftanlagen Gesamthöhen von unter 100 Metern, doch heute ragen sie häufig bis zu 260 Meter in die Höhe. Entsprechend tief und großflächig sind die Fundamente, die ebenfalls vollständig entfernt werden müssen. Die Verpflichtung, die Bodenversiegelung aufzuheben, führt zu weiteren Kosten.
Windkraftanlagen müssen nach ihrer Betriebszeit komplett abgebaut werden, doch die gesetzlichen vorgegebenen Rücklagen sind oft zu niedrig
Auch alle Teile der Anlage müssen vollständig abgebaut werden. Diese zusätzlichen Ausgaben sind erheblich. Die bestehenden Rückstellungen reichen dafür jedoch nicht aus. Betreiber müssen deshalb oft mit finanziellen Engpässen rechnen. Die vorgesehenen Rücklagen decken diese Kosten nicht vollständig ab, was zu Problemen führt.
Rückbaupflicht nach Baugesetz – aber die Rücklagen reichen nicht aus
Die rechtliche Verpflichtung für den Rückbau ergibt sich aus dem Bundesbaugesetz. In Hessen regelt der sogenannte Rückbauerlass, dass Betreiber pro Meter Nabenhöhe 1000 Euro als Sicherheitsleistung hinterlegen müssen. Diese Summe wird beim zuständigen Landkreis als Sicherheit hinterlegt, um den Rückbau nach Ende der Betriebszeit zu gewährleisten. Für eine Anlage mit 167 Metern Nabenhöhe ergibt sich dadurch eine Rücklage von 167.000 Euro. Viele Experten, darunter Jan Müller-Zitzke vom Aktionsbündnis Märchenland, sehen in dieser Berechnung jedoch eine gravierende Fehleinschätzung. Er ist der Meinung, dass die Rücklage nur die sichtbaren Teile der Anlage berücksichtigt und die tief im Boden verankerten Fundamente oft vernachlässigt. Zudem bleiben die Baukostensteigerungen der letzten Jahre in der Rückbauformel unberücksichtigt.
Ein Beispiel dafür, wie knapp die Rücklagen bemessen sind, zeigt der Fall eines Betreibers in Norddeutschland, dessen Windpark nach dem Ende der Betriebszeit zurückgebaut werden sollte. Die Rücklage von etwa 200.000 Euro pro Anlage deckte nicht einmal die Hälfte der tatsächlichen Rückbaukosten. Dies führte dazu, dass der Landkreis die Sicherheitsleistung in Anspruch nahm, um den Rückbau zumindest teilweise zu finanzieren. Der Rest der Kosten musste jedoch durch öffentliche Gelder aufgebracht werden.
Fehlende Rücklagen gefährden den Rückbau
Auch Stefan Kieweg, Geschäftsführer der Windpark Halsberg GmbH, setzt bei seinen Rückbauplanungen auf die hessische Rückbauformel. Er sieht in der Sicherheitsleistung jedoch einen „Puffer“, der durch den Verkauf von Metallen aus dem Rückbau zu finanziellen Erleichterungen führen kann. Doch Müller-Zitzke widerspricht dieser Einschätzung. Er verweist auf Untersuchungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, die von deutlich höheren Rückbaukosten ausgehen. Laut dieser Berechnungen betragen die durchschnittlichen Rückbaukosten etwa 80 Euro pro Kilowatt installierter Leistung. Für eine moderne Anlage von 5,6 Megawatt würde dies Rückbaukosten von rund 448.000 Euro pro Anlage bedeuten – deutlich mehr als die in Hessen vorgeschriebenen 167.000 Euro.
Ein weiteres Beispiel zeigt, wie schwierig der Rückbau für Betreiber sein kann: Im Fall eines Windparks in Mittelhessen musste der Betreiber Insolvenz anmelden, da die Rücklagen für den Rückbau weit unter den tatsächlichen Kosten lagen. Dies führte dazu, dass die zuständige Kommune den Rückbau selbst organisieren musste, was erhebliche finanzielle Belastungen nach sich zog. Viele Kommunen sehen sich deshalb gezwungen, Rückstellungen nachträglich einzufordern oder in Verhandlungen mit Betreibern zu treten, um die Lücken in der Finanzierung zu schließen.
Rückbaukosten steigen mit der Zeit
Ein weiteres Problem besteht in der dynamischen Entwicklung der Baukosten. Zwischen 2012 und 2022 betrug der Baukostenindex im Durchschnitt 4,654 Prozent pro Jahr. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, könnten die Rückbaukosten in den kommenden Jahren drastisch steigen. Bei einem heute genehmigten Windpark liegen die tatsächlichen Rückbaukosten nach 20 bis 30 Jahren deutlich über den aktuellen Schätzungen. Laut Jan Müller-Zitzke sind Rückbaukosten von über einer Million Euro pro Anlage nach 30 Jahren nicht unrealistisch. Er warnt davor, dass viele Betreiber die steigenden Kosten in Zukunft nicht mehr tragen können und fordert eine Reform der Rückbauvorschriften.
Forderung nach Reform der Rückbauvorschriften
Müller-Zitzke betont, dass Betreiber während des Betriebs ihrer Anlagen beträchtliche Einnahmen erzielen. Er fordert, dass diese vollständig für den späteren Rückbau zurückgelegt werden. Viele Betreiber können die nötigen Rücklagen nicht bilden. Dadurch entsteht eine große Lücke zwischen den Rückbauverpflichtungen und den realen finanziellen Möglichkeiten. Einige Betreiber gingen insolvent und konnten den Rückbau nicht selbst finanzieren. In solchen Fällen mussten die Kommunen einspringen. Sie übernahmen die Rückbauverpflichtungen und trugen die hohen Kosten.
Die derzeitige Berechnungsformel, die lediglich die Nabenhöhe der Anlagen berücksichtigt, ist nach Einschätzung von Experten nicht mehr zeitgemäß.Es ist dringend notwendig, die Rückbauvorschriften an die realen Kosten anzupassen. Nur so kann sichergestellt werden, dass Windkraftanlagen nach ihrer Betriebszeit vollständig abgebaut werden. Der Abbau muss ordnungsgemäß erfolgen. Wichtig ist dabei, dass die finanzielle Last nicht auf die Öffentlichkeit abgewälzt wird. Ohne eine solche Anpassung drohen erhebliche Kosten für Kommunen und Steuerzahler. Die bisherigen Rücklagen reichen dafür in den meisten Fällen bei Weitem nicht aus.
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