Zwei bedeutende Wirtschaftsverbände drängen auf staatliche Hilfen, um die steigenden Stromkosten in Deutschland zu reduzieren. Die Industrie zeigt sich zunehmend unzufrieden, da die versprochenen Senkungen der Strompreise ausbleiben. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) haben gemeinsam an die Bundesregierung appelliert. Sie fordern, die wachsenden Kosten für die Übertragungsnetze durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt zu decken. Kerstin Andreae, die Hauptgeschäftsführerin des BDEW, erklärte in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass diese Zuschüsse dazu beitragen könnten, die Stromkosten für die Verbraucher zu senken. Ihrer Meinung nach wäre dies eine notwendige Maßnahme, um die finanzielle Belastung zu reduzieren (faz: 12.10.24).
Entlastung für Haushalte und Unternehmen gefordert
Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDI, bekräftigt die Forderung und betont, dass nicht nur die Industrie, sondern auch private Haushalte von den Zuschüssen profitieren sollten. „Ein Zuschuss bei den Übertragungsnetzentgelten ergibt wirtschaftlich und politisch Sinn: Davon profitieren alle Verbraucher, egal ob Haushalt oder Wirtschaft“, äußerte er. Die Stromkosten sind ein zentrales Problem für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.
Bereits 2023 stellte der Staat Hilfsgelder zur Entlastung der Netzentgelte bereit. Für 2024 waren 5,5 Milliarden Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds vorgesehen, doch nach einem Gerichtsurteil konnten diese Mittel nicht genutzt werden. Nun wird diskutiert, ob ein Teil der für Intel vorgesehenen 10 Milliarden Euro, die nach der Verzögerung des Baus des Intel-Werks in Magdeburg frei wurden, umgeschichtet werden könnte. Die Verbände machen jedoch keine konkreten Angaben darüber, welche Finanzierungstöpfe sie anvisieren.
Teurer Netzausbau durch erneuerbare Energien
Der stetige Anstieg der Stromkosten ist eine direkte Folge des subventionierten Ausbaus von Solar- und Windenergie. Diese erneuerbaren Energien erfordern eine umfangreiche Modernisierung und Erweiterung des Stromnetzes, um die unregelmäßige Einspeisung von Wind- und Solarstrom zu bewältigen. Der Ausbau der Netze, der notwendig ist, um die Energiewende voranzutreiben, soll nun ebenfalls mit zusätzlichen Milliarden subventioniert werden. Seit der Einführung der EEG-Umlage sind bereits etwa 300 Milliarden Euro in die Förderung von Ökostrom geflossen – Gelder, die zunächst über die EEG-Umlage und mittlerweile über Steuern bereitgestellt werden. Die enormen Kosten belasten sowohl private Haushalte als auch die Industrie.
Hohe Stromkosten gefährden Wettbewerbsfähigkeit
Die ständig steigenden Stromkosten bedrohen den Konsum, Investitionen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Seit 2022 haben sich die Netzentgelte für Industriekunden nahezu verdoppelt, und eine Entlastung scheint nicht in Sicht. Der Appell der Verbände stellt klar: „Dies hat weitreichende Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie“. Mittelständische Betriebe sehen sich mit einem Anstieg der Netzkosten um 0,7 Millionen Euro bis 2025 konfrontiert, während größere Unternehmen mit einem Anstieg um 2,2 Millionen Euro rechnen.
Die Industrie und die Energiewirtschaft stehen zu dem Ziel der CO2-Neutralität, fordern jedoch gleichzeitig den Erhalt des Industriestandorts. Der Transformationsprozess hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft erfordert hohe Investitionen. Besonders die Ausgaben für das sogenannte Redispatch, also das Management von Netzengpässen, treiben die Netzentgelte weiter in die Höhe.
Transformationskosten belasten Stromnetz
Andreae betont, dass die zusätzlichen Kosten nicht durch die Netze selbst entstehen, sondern dass diese die politisch gewollte Energiewende verursacht. In der Branche wird bereits von „netzfremden Leitungen“ gesprochen, analog zu „versicherungsfremden Leistungen“ im Gesundheitswesen, die der Staat übernimmt. Lösch hebt hervor, dass der Übergang zu grünem Wasserstoff und erneuerbaren Energien nur gelingen kann, wenn die Stromkosten wettbewerbsfähig bleiben. Doch die Systemkosten sind bereits jetzt hoch und werden weiter steigen.
„Angesichts der gesamtgesellschaftlichen Transformationsaufgabe ist ein Zuschuss aus Bundesmitteln in die Infrastruktur notwendig“, betont Lösch. Die Regierung muss aktiv werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu schützen. Außerdem sollten die Stromkosten für Verbraucher und Unternehmen gesenkt werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck und Kanzler Olaf Scholz befürworten staatliche Zuschüsse. Allerdings möchte Finanzminister Christian Lindner die Mittel lieber verwenden, um Haushaltsdefizite zu schließen.
Politische Diskussionen um Finanzierung
Regierungskreise berichten, dass Scholz auf eine schnelle Entlastung der Industriebetriebe drängt und bereits konkrete Vorschläge zur Finanzierung hat. Bevor die Regierung jedoch offizielle Senkungen der Stromkosten ankündigt, muss sie diese Vorschläge zunächst intern abstimmen. Dabei sei es entscheidend, dass die Maßnahmen im Rahmen der geltenden Haushaltsregeln blieben. Die Bundesregierung plant, die notwendigen Beschlüsse im nächsten Jahr zu fassen, damit die Stromkosten 2025 deutlich sinken – rechtzeitig zur Bundestagswahl.
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