Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland klettert auf den höchsten Stand seit zwei Jahrzehnten. Experten sprechen von einer „perfekten Sturm-Situation“, die auf anhaltender konjunktureller Schwäche und stark gestiegenen Kosten basiert. Das Ende der Ampel-Koalition trägt weiter zur Verunsicherung bei, bietet jedoch auch Hoffnung auf Besserung. Im Oktober 2024 verzeichnete das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) eine besorgniserregende Entwicklung: 1530 Personen- und Kapitalgesellschaften meldeten Insolvenz an. Das entspricht einem Anstieg von 17 Prozent im Vergleich zum September und sogar 48 Prozent mehr als im Vorjahresmonat (agrarheute: 08.11.24).
Branchen im Krisenmodus
Besonders stark betroffen sind der Bau, der Handel sowie unternehmensnahe Dienstleistungen. Auch das verarbeitende Gewerbe weist hohe Insolvenzzahlen auf. Schwächere Unternehmen, die während der Niedrigzinsphase und dank staatlicher Hilfe die Pandemie überstanden haben, geraten zunehmend unter Druck. Steffen Müller, Forscher am IWH, betont: „Vor allem hoch verschuldete Firmen sind betroffen.“ Die gestiegenen Kosten treffen diese Unternehmen besonders hart und führen zu erhöhtem Insolvenzrisiko.
Deutschland verzeichnet höchsten Anstieg von Insolvenzen seit zwei Jahrzehnten. Bau, Handel und Dienstleistungen besonders betroffen
Belastung für Beschäftigte
Die Schließung großer Firmen bedeutet für viele Beschäftigte dauerhafte Einkommensverluste. Im Oktober verzeichnete der IWH-Insolvenztrend etwa 11.000 betroffene Arbeitsplätze in den größten insolventen Unternehmen. Trotz der zahlreichen Firmenpleiten liegt diese Zahl mehr als 50 Prozent unter dem Vormonatswert und bleibt auf dem Niveau von Oktober 2023. Dennoch ist der Wert 30 Prozent höher als der Durchschnitt der Jahre vor der Pandemie. Die vergleichsweise geringe Zahl betroffener Jobs resultiert aus dem Fehlen großer Insolvenzfälle, wie sie etwa die Autoindustrie bedrohen. So blieben die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt bislang überschaubar.
Insolvenzzahlen: Alarmsignal für die Wirtschaft
Die steigenden Insolvenzzahlen stellen die Wirtschaft vor immense Herausforderungen. Christoph Niering, Vorsitzender des Verbands Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID), warnt: „Ein langes Warten auf eine neue Bundesregierung wird zu noch mehr Insolvenzen führen.“ Seit anderthalb Jahren steigt die Zahl der Unternehmenspleiten kontinuierlich. Die andauernde Schwäche der Industrie und der anhaltende Ukrainekrieg verschärfen die Situation zusätzlich. Viele Experten betrachten Insolvenzen als einen wichtigen Indikator für die wirtschaftliche Lage des Landes.
Ein Blick auf die vergangenen Jahre zeigt, dass die aktuelle Krise nicht mit der Finanzkrise vergleichbar ist. Niering relativiert: „Die Zahlen erreichen nicht das Niveau der damaligen Zeit.“ Doch das hängt auch mit sinkenden Gründungszahlen zusammen, die der Wirtschaft wichtige Impulse vorenthalten.
Industrieproduktion im Sturzflug
Die deutsche Industrie bleibt im Jahr 2024 in der Rezession gefangen. Prof. Dr. Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft beschreibt die Lage als „frustrierend“. Im ersten Halbjahr lag die Industrieproduktion rund 5 Prozent unter dem Vorjahreswert. Maschinenbau, Elektro- und Fahrzeugindustrie sind massiv betroffen. Der Rückgang in der Produktion von Investitionsgütern ist symptomatisch für die Schwäche dieser Sektoren. Auch die Pharmaindustrie und Elektrobranche trugen zum Rückgang bei Konsumgütern bei.
Die Situation zeigt: Die deutsche Industrie kämpft mit erheblichen Problemen. Fehlende Investitionen und teure Rahmenbedingungen belasten die Unternehmen. Die Rezession trifft alle großen Industriezweige und wirkt sich langfristig auf die gesamte Wirtschaft aus. Die Hoffnungen auf eine baldige Erholung bleiben gedämpft.
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