Die Wasserstoffpläne der Regierung drohen zu scheitern

Von | 29. Mai 2024

Deutschlands Industrie soll klimaneutral werden, mit Wasserstoff als Schlüsselelement. Doch die Umsetzung stockt. Wichtige Schritte beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft lassen auf sich warten. Dies könnte Deutschlands Stellung in der globalen Wasserstoffwirtschaft gefährden. Die Regierung und Wirtschaft haben ambitionierte Ziele gesetzt. Doch Verzögerungen beim Wasserstoffnetz und den Importen aus dem Ausland bedrohen die Wasserstoffpläne der Regierung. Viele Investitionsvorhaben warten noch immer auf abschließende Förderzusagen (handelsblatt: 24.05.24).

Thyssen-Krupp Nucera senkt Erwartungen drastisch – Zinsen, Inflation und Unsicherheiten bremsen Fortschritt

Vor kurzem hat Thyssen-Krupp Nucera seine Wachstumserwartungen für das Wasserstoffgeschäft um fast 30 Prozent gesenkt. Unsicherheiten in der Regulierung, steigende Zinsen und Inflation verzögern Investitionsentscheidungen, so der Geschäftsführer Werner Ponikwar. Internationale Unternehmen bemühen sich um grünen Wasserstoff, aber hohe Preise und schwierige Projektrealisierungen bremsen den Fortschritt, erklärt Georg Stamatelopoulos von EnBW.

Wasserstoffpläne der Regierung: Experten warnen vor massiven Verzögerungen, steigenden Kosten und dem Scheitern der Pläne

Deutschlands Wasserstoffpläne in Gefahr: Experten warnen vor Scheitern der Pläne

Die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen sind nach wie vor unklar, was Investoren abschreckt. Kerstin Maria Rippel von der Wirtschaftsvereinigung Stahl kritisiert, dass die gesetzten Ziele der Bundesregierung zunehmend außer Sicht geraten.

Die Nationale Wasserstoff-Strategie von 2020 sollte Deutschland zum Marktführer machen. Doch dieses Ziel rückt immer weiter in die Ferne. Experten warnen, dass Deutschland und Europa Schwierigkeiten haben werden, eine Vorreiterrolle im Wasserstoffbereich zu übernehmen. Yvonne Ruf von Roland Berger betont, dass Europa sich anstrengen muss, um technologisch vorne dabei zu sein.

Wasserstoff ist essenziell für die Transformation der Industrie, besonders in Bereichen, wo erneuerbarer Strom Kohle oder Gas nicht ersetzen kann, wie in der Stahl- oder Chemiebranche. Auch im Schwerlastverkehr und in der Luft- und Schifffahrt ist grüner Wasserstoff von großer Bedeutung. Doch die Umsetzung der Wasserstoffwirtschaft stockt.

Wasserstoffpläne der Regierung: Experten warnen vor massiven Verzögerungen und steigenden Kosten

Roland-Berger-Expertin Ruf prognostiziert erhebliche Verzögerungen im globalen Aufbau der Wasserstoffwirtschaft. Der aktuelle Zeitplan scheint nicht haltbar. In Deutschland wurden bisher Anlagen mit einer Leistung von nur 0,1 Gigawatt fertiggestellt, bis 2030 sollten es zehn Gigawatt sein. Ruf geht von einer Verzögerung von zwei bis fünf Jahren aus.

Das Problem betrifft nicht nur Deutschland. Siemens-Energy-Vorstand Karim Amin bestätigt, dass die Wasserstoffwirtschaft langsamer hochfährt als erwartet. Fragen rund um die Kosten für Infrastruktur und Produktion bleiben ungelöst. Bis 2030 könnten weltweit 38 Millionen Tonnen emissionsarmen Wasserstoffs zur Verfügung stehen, jedoch wurden erst für vier Prozent dieser Menge endgültige Investitionsentscheidungen getroffen.

Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass in den nächsten vier Jahren nur 45 Gigawatt in Wind- und Solaranlagen für die Produktion von grünem Wasserstoff gebaut werden, 35 Prozent weniger als vor einem Jahr. Hauptgrund sind unklare Rahmenbedingungen in vielen Ländern.

Wasserstoff-Offensive stockt: Zweifel in der Stahlbranche und schleppende Importe

In der Stahlbranche, die als erster großer Anwendungsbereich für klimafreundlichen Wasserstoff gelten soll, wachsen die Zweifel. Laut Kerstin Maria Rippel droht der Wasserstoffhochlauf in Deutschland ins Stocken zu geraten.

Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse aus erneuerbarem Strom erzeugt und entweder direkt eingesetzt oder zu grünem Ammoniak oder grünem Methanol weiterverarbeitet. Doch die geplanten Wasserstoffimporte kommen nicht in Gang. Die Bundesregierung rechnet mit einem Wasserstoffbedarf von 95 bis 130 Terawattstunden (TWh) jährlich bis 2030. Nur etwa 30 Prozent dieses Bedarfs kann Deutschland selbst decken, der Rest muss importiert werden.

Obwohl die Bundesregierung Abkommen mit potenziellen Lieferländern abschließt, existieren viele Projekte bisher nur auf dem Papier. Erste Unternehmen in Deutschland haben bereits versucht, sich grünen Wasserstoff im Ausland zu sichern, doch konkrete Liefertermine fehlen.

Verzögerungen und hohe Kosten bremsen Wasserstoffproduktion

Auch im Inland läuft die Produktion von Wasserstoff schleppend. Die Regierung strebt in ihren Wasserstoffplanen Elektrolysekapazitäten von zehn Gigawatt bis 2030 an, doch der Fortschritt ist minimal. Viele Projekte sind noch weit von finalen Investitionsentscheidungen entfernt. Finanzierungsbedingungen haben sich verschlechtert und potenzielle Abnehmer zögern, verbindliche Verträge abzuschließen.

Es besteht ein „Henne-Ei-Problem“: Ohne Endnutzer gibt es keinen Anreiz für den Aufbau der Elektrolyse und Infrastruktur, die wiederum Voraussetzung für die Nachfrage durch Endnutzer ist. Ein Insider kritisiert, dass die Politik die Komplexität des Vorhabens unterschätzt hat.

Die Ampelkoalition hat vor kurzem ein Wasserstoff-Kernnetz von 9700 Kilometern Länge vorbereitet, doch die Fertigstellung wurde auf 2037 verschoben. Für Unternehmen wie Salzgitter bedeutet dies Verzögerungen beim Anschluss an das Netz.

Die Kosten für grünen Wasserstoff könnten höher sein als erwartet. Laut Boston Consulting Group liegen sie ab 2030 bei fünf bis acht Euro pro Kilogramm, statt der vorhergesagten drei Euro. Dies stellt einen weiteren Rückschlag für die Transformation der Industrie dar.

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