Die EU plant neue CO₂-Regeln für Batterien, die Deutschland erheblich benachteiligen könnten. Diese Regeln legen die Berechnung der CO₂-Bilanz von Batterien in Europa fest. Das klingt technisch, hat aber gravierende Auswirkungen auf die Industrie. Die Herstellung „Grüner“ Batterien wäre in Deutschland aufgrund des Strommixes praktisch nicht mehr möglich, während Frankreich diese aufgrund des hohen Atomstromanteils weiterhin produzieren könnte. Diese Methode könnte bald auch für andere Produkte wie Stahl oder Zement gelten (welt: 27.05.24).
Auswirkungen der neuen Berechnungsmethode für Batterien
Die neue Methode sieht vor, dass nur der durchschnittliche CO₂-Ausstoß für die Stromerzeugung im Produktionsland zählt. In Deutschland beträgt die CO₂-Intensität 381 Gramm pro Kilowattstunde, in Frankreich hingegen nur 56 Gramm. Multipliziert man diese Zahlen mit dem Stromverbrauch pro Batterie, ergeben sich sehr unterschiedliche Werte für deutsche und französische Standorte. Für die deutsche Autoindustrie würde die Regelung große Nachteile bedeuten, aber nicht nur für sie.
Auswirkungen der neuen Berechnungsmethode für Batterien. Herstellung „Grüner“ Batterien in Deutschland nicht mehr möglich
Die Berechnungsart könnte auch weitere Sektoren betreffen. „Die EU hat bisher noch keine rechtskräftigen Kriterien für die Klimabilanz von Produkten definiert. Wenn diese Methode für Batterien beschlossen wird, ist es kaum vorstellbar, dass in anderen Bereichen andere Ansätze gewählt werden“, sagt Achim Teuber vom Beratungsunternehmen Systemiq.
Politische Reaktionen und Konsequenzen
Die unscheinbare Regelung hätte weitreichende Folgen. „Die Ökodesign-Verordnung sieht vor, dass künftig für alle darunterfallenden Produkte in der EU ein CO₂-Fußabdruck und ein Umwelt-Fußabdruck ausgewiesen werden müssen“, sagt Teuber. Nach der vorgeschlagenen Methode hätten alle Produkte aus Ländern wie Deutschland, Polen oder Italien große Nachteile auf dem Markt. Schon in wenigen Jahren soll die Klimabilanz darüber entscheiden, ob ein Produkt überhaupt auf den Markt kommen darf.
Zunächst wären vor allem Elektroautos betroffen, da die EU-Batterieverordnung bereits ab dem kommenden Jahr greift. Das EU-Parlament und die nationalen Regierungen werden zu dieser Detailregelung nicht befragt, können aber später widersprechen. Darauf hofft die deutsche Autolobby. Sie reagiert entsetzt auf den Vorschlag aus Brüssel. „Mit dem Entwurf definiert die Europäische Kommission die Spielregeln der Ökobilanzierung neu“, sagt Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Die aktuelle Fassung bedeute einen Paradigmenwechsel, in dem Erneuerbare-Energien-Zertifikate abgelehnt und nur noch standortbezogene Energiedaten für die CO₂-Berechnung herangezogen werden. „Dies widerspricht dem Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien in Europa auszubauen“, warnt Müller.
Auswirkungen auf die Industrie
Die neuen Regeln betreffen große Batteriezellfabriken von Volkswagen, Mercedes/Stellantis und Northvolt in Deutschland. Diese Unternehmen vertrauten darauf, dass sie Ökostrom für ihre Produktion auf die CO₂-Bilanz der Batterien anrechnen dürfen. Northvolt wählte den Standort an der Nordseeküste wegen der Nähe zu den Offshore-Windparks. Den Strom von dort könnte sich das Unternehmen nach der EU-Vorlage nur noch anrechnen lassen, wenn eine direkte Leitung zum Windpark existiert. Dass diese „Power Purchase Agreements“ nicht mehr berücksichtigt werden, sieht Teuber als verlorene Chance. „Sie wären ein Anreiz für die Industrie, selbst in erneuerbare Energie zu investieren“, sagt er.
Geopolitische Dimensionen
Spätestens dann bekommt die Frage nach der Berechnung des CO₂-Rucksacks auch geopolitische Bedeutung. Bei der Stromproduktion in China entsteht derzeit noch deutlich mehr CO₂ als in Deutschland – und weniger als in Polen. „Man kann die Regelung auch als Protektionismus gegenüber China sehen. Womöglich hat die Kommission aus geopolitischen Gründen so gehandelt“, vermutet Teuber.
Dafür spricht, dass Brüssel gerade in ersten Wirtschaftssektoren den CO₂-Grenzausgleich in Kraft setzt. Wer Güter in die EU importiert, für die es einen internen CO₂-Preis gibt, muss dafür Zoll bezahlen. Noch können Importeure zwischen verschiedenen Arten der CO₂-Bilanzierung wählen – künftig darf nur noch nach den EU-Regeln gerechnet werden.
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