Wirtschaftliche Talfahrt: Österreich kämpft mit Krisenbewältigung und schwindendem Wohlstand

Von | 15. September 2024

Österreich steckt in einer tiefen wirtschaftlichen Krise. Die wirtschaftliche Lage verschlechtert sich, und das Land verliert an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Negative Schlagzeilen häufen sich, während Konjunkturprognosen düster ausfallen. Laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und dem Institut für Höhere Studien (IHS) wird die Wirtschaftsleistung 2024 erneut schrumpfen, was zum ersten Mal seit 1950 das zweite Jahr in Folge wäre. Der Abwärtstrend spiegelt sich auch im World Competitiveness Report wider, in dem Österreich nur noch auf Platz 26 von 67 Ländern liegt. Die OECD und die EU stellen fest, dass das Produktivitätswachstum stagniert, während die Innovationskraft nachlässt. Zudem ist die Anzahl der Unternehmensgründungen eine der niedrigsten in der EU, was die Dynamik der Wirtschaft weiter bremst (nzz: 09.09.24).

Steigende Arbeitslosigkeit und Firmenschließungen

Eine der alarmierendsten Entwicklungen betrifft das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, das in den letzten fünf Jahren um 1,7 Prozent gesunken ist. Österreich ist in diesem Bereich das Schlusslicht in der EU. Die Pandemie und der Ukraine-Krieg haben ihren Teil zu dieser Entwicklung beigetragen. Dennoch hat Österreich die Krisen schlechter bewältigt als andere europäische Länder. Entlassungen in großen Unternehmen wie Pierer Mobility und Infineon Österreich sind ein weiteres Zeichen für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die Zahl der Insolvenzen stieg im ersten Halbjahr um mehr als 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, was die prekäre Lage der Unternehmen verdeutlicht.

Wirtschaftlichen Krise in Österreich: Schlechte Konjunkturprognosen, sinkende Produktivität, stagnierendes Wachstum und sinkender Wohlstand
Bild: KI-generiert

Besonders betroffen ist die Industrie, das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft. Der hohe Anteil an energieintensiven Betrieben machte das Land besonders anfällig für die Energiepreisschocks infolge des Ukraine-Kriegs. Doch viele Probleme sind hausgemacht. Die expansive staatliche Ausgabenpolitik zur Bewältigung der multiplen Krisen trieb die Inflation in die Höhe. Diese lag in Österreich in den letzten zwei Jahren über dem Durchschnitt des Euro-Raums, was die Löhne im internationalen Vergleich stark steigen ließ.

Herausforderungen der Arbeitsmarktpolitik

Ein weiteres Problem betrifft die Lohnentwicklung. Die Gehälter sind laut Berechnungen des Think-Tanks Agenda Austria seit 2023 fast doppelt so stark gestiegen wie im Euro-Raum. Dies liegt vor allem daran, dass die Löhne in Österreich nicht dem freien Markt unterliegen. Fast alle Arbeitnehmer fallen unter einen Kollektivvertrag, der die Löhne an die Inflation und das Produktivitätswachstum koppelt. Allerdings stagniert die Produktivität seit Jahren, da die Menschen in Österreich immer weniger arbeiten. Ein Drittel der Erwerbstätigen arbeitet mittlerweile Teilzeit, was den höchsten Wert in der EU darstellt.

Vor allem die hohen Steuern und Abgaben hindern viele Menschen daran, ihre Arbeitszeit zu erhöhen. Wer von Teilzeit auf Vollzeit umstellt, erzielt netto nur einen geringen Lohnzuwachs. Dies hat dazu geführt, dass die Lohnstückkosten seit 2015 um über 30 Prozent gestiegen sind, was Österreich im internationalen Vergleich erheblich schwächt. Unternehmen und Wirtschaftsvertreter fordern daher dringend eine Senkung der Lohnnebenkosten, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Zukunftsperspektiven und Reformbedarf

Österreich steht vor großen Herausforderungen, die strukturelle Reformen erfordern. Die Regierung muss Lösungen finden, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu verbessern und den demografischen Wandel zu bewältigen. Vor allem der Fachkräftemangel stellt ein erhebliches Problem dar. Laut einer Umfrage der Wirtschaftskammer sind 82 Prozent der Unternehmen davon betroffen.

Die Senkung der Lohnnebenkosten steht daher im Fokus der wirtschaftspolitischen Debatte. Bundeskanzler Karl Nehammer präsentierte im Juli einen Wachstumsplan, der unter anderem eine Entlastung der Unternehmen vorsieht. Allerdings erfordern solche Maßnahmen politische Mehrheiten, die erst nach der Wahl im Herbst zustande kommen könnten.

Auch der Industrielle Matthias Unger betont, dass Reformen in der Bürokratie dringend notwendig sind. Unternehmen kämpfen mit hohen administrativen Anforderungen, die besonders im Bereich der Nachhaltigkeitsberichte zu einem erheblichen Aufwand führen. Obwohl die Umstellung auf grüne Technologien viele Chancen bietet, hinkt die staatliche Unterstützung den bürokratischen Anforderungen hinterher. Österreich muss laut Unger ein Alleinstellungsmerkmal finden, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen.

Insgesamt steht Österreich vor einem „Rendez-vous mit der Realität“, wie es Wifo-Chef Gabriel Felbermayr ausdrückte. Es braucht tiefgreifende Reformen, um das Land wieder auf einen Wachstumspfad zu führen. Investitionen in Bildung, Technologie und Infrastruktur sind dabei unverzichtbar. Nur so kann Österreich langfristig wettbewerbsfähig bleiben und die Wohlstandseinbußen der letzten Jahre ausgleichen.

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