Kernfusion technisch machbar: Münchner Start-up stellt Konzept vor

Von | 22. März 2025

Das Prinzip der Kernfusion, bei dem im Gegensatz zur Kernspaltung Atomkerne miteinander verschmelzen, fasziniert seit Jahrzehnten die Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Es würde damit enorm viel Energie ohne schädliche Strahlung frei, möglicherweise ließen sich die Energieprobleme der Menschheit so auf einen Schlag lösen. Kernfusionsreaktionen lassen unsere Sonne und andere Sterne strahlen, das Potenzial ist somit gigantisch. Bislang gibt es aber noch keine Kernfusionsreaktoren, die diese Energie in nennenswertem Umfang nutzbar machen können. Ein Münchner Start-up scheint nun einen technisch machbaren Weg der Umsetzung gefunden zu haben. (golem, 26.02.2025)

Proxima Fusion entwickelt Reaktor Wendelstein 7-X

Das Start-up Proxima Fusion aus München könnte der technisch realisierbaren, ökonomisch nutzbaren Kernfusion einen großen Schritt näher gekommen sein. Sein Reaktor Wendelstein 7-X soll ab 2031 Energie produzieren. Die bayerischen Tüftler kooperieren mit dem IPP (Max-Planck-Institut für Plasmaphysik) und haben in ihrer jüngsten Studie ihren Stellarator vorgestellt, mit dem eine Nettostromproduktion möglich sein soll.

Das Münchner Start-up Proxima Fusion will mit dem Stellarator Wendelstein 7-X bis 2031 erstmals nutzbaren Strom aus Kernfusion erzeugen.

Der Hintergrund: Kernfusionen werden im Labor schon seit Ende des vorigen Jahrhunderts realisiert. Hierfür ist aber zunächst ein sehr hoher energetischer Aufwand nötig. Die bislang erfolgten Fusionen dauerten höchstens einige Sekunden und erzeugten deutlich weniger Energie, als zuvor aufgewendet worden war. Proxima Fusion gibt hingegen an, die nötigen Rahmenbedingungen für einen Energieüberschuss schaffen zu können. In der Regel fusionieren die betreffenden Reaktoren Deuterium- und Tritiumatome.

Es gibt zwei grundsätzliche Bauarten von Fusionsanlagen: Tokamak und Stellarator. Letzterer, mit dem das Münchner Start-up arbeitet, schließt heißes Plasma ein, wie es auch in Sternen geschieht, was zur Namensgebung des Reaktors führte (von Stella wie lateinisch Stern). Die Teilchen werden magnetisch in einem Vakuum eingeschlossen und auf bis zu 150 Millionen Grad erhitzt, wodurch das Plasma entsteht, weil sich bei dieser Temperatur die Elektronen vom Atomkern lösen. Das Plasma ist elektrisch leitend. Supraleitende Elektromagnete schließen es in der Kammer ein, damit es deren Innenwände nicht berührt, was zur Abkühlung und zum Zusammenbruch der Reaktion führen würde. Bei der erzeugten Hitze verschmelzen die Atomkerne von Deuterium und Tritium (schwerer und überschwerer Wasserstoff) zu Helium. Die Reaktion setzt energiereiche Neutronen frei, die im Außenmantel der Anlage, dem sogenannten Blanket, ihre Bewegungsenergie als Wärme abgeben. Eine Dampfturbine erzeugt aus dieser Wärme Strom. Gleichzeitig erbrütet der Blanket neues Tritium für die Folgereaktion.

Eines der größten Probleme von Kernfusionsreaktoren ist neben der Erzeugung der Startenergie die ökonomisch vertretbare Produktion von geeigneten Hochleistungsmagneten. Hierfür hat Proxima Fusion wohl einen Weg gefunden. Ab 2027 will das Unternehmen entsprechende Magnete herstellen, damit 2031 ein kleiner, Nettostrom erzeugender Reaktor entsteht. Er dürfte für die wirklich kommerzielle Nutzung noch etwas zu klein sein, könnte aber einen wissenschaftlich-technischen Durchbruch andeuten.

Umfangreiche Vorleistungen in Greifswald

In Greifswald, wo die DDR einst ein Kernkraftwerk errichtete, fanden umfangreiche Vorarbeiten statt. Die Techniker aus München experimentieren dort am Wendelstein 7-X, einem Stellarator mit Baukosten von fast 1,4 Milliarden Euro. Zentral für die wissenschaftlichen Arbeiten ist die aufwendige Magnetfeldgeometrie. Stellaratoren sollen theoretisch einen deutlich stabileren Plasmafluss als andere technische Varianten der Kernfusion erzeugen. Es besteht somit die Hoffnung, dass mit diesem Konzept der erwünschte Dauerbetrieb eines Kernfusionsreaktors möglich wird. Im Greifswalder Stellarator schließt ein verdrilltes Magnetfeld das Plasma ein. Diese besondere Form ist technisch enorm herausfordernd, doch mit ihr gelingt an allen Stellen ein gleich schneller und damit stabiler Plasmafluss. Die von Proxima Fusion präsentierten Lösungen sind komplett durchgerechnet und designt. Das erzeugte Magnetfeld dürfte optimal dem Ziel der Energiegewinnung dienen, auch ist die zugrundeliegende Konstruktion schon ausreichend widerstandsfähig und stabil, um dem angedachten Volllastbetrieb standzuhalten. Zu ihr gehört eine extrem resistente Schutzhülle, die das Plasma umschließen wird.

Technische Daten zum Fusionskraftwerk

Wegen der quasi abgeschlossenen Vorarbeiten kann Proxima Fusion konkrete Angaben zum Kernfusionsreaktor präsentieren. Der schraubenlinienförmige Plasmaring wird mit weniger als zehn Metern Durchmesser auskommen, das Kraftwerk könnte 2,7 Gigawatt Strom produzieren. Das ist in etwa die doppelte Menge zweier aktueller Kernspaltungsreaktoren. Es gibt bereits einen ersten potenziell betriebsbereiten Tokamak, der auf einem anderen technischen Prinzip aufbaut. Dieser ist maximal 0,8 Gigawatt ausgelegt. Gebaut oder gar getestet wurde der Fusionsreaktor der Münchner allerdings noch nicht. Die Gründer geben an, noch 16 ingenieurtechnische und wissenschaftliche Hürden meistern zu müssen.

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