Grüner Stahl im Saarland – zwischen Vision und Wirklichkeit

Von | 30. März 2025

Im Oktober 2024 kündigte die DHS-Gruppe an, die Stahlerzeugung im Saarland grundlegend umzubauen. Das klassische Hochofenverfahren soll dem sogenannten Direktreduktionsprozess weichen. Statt Kokskohle sollen Erdgas und langfristig grüner Wasserstoff das Eisenerz reduzieren. So lassen sich CO₂-Emissionen deutlich verringern oder sogar vermeiden. Politik, Unternehmensleitung, Betriebsrat und Gewerkschaften sprechen geschlossen von einem Wendepunkt, der den Standort retten könne. Doch die ökonomischen Realitäten zeigen eine andere Seite der Medaille (wndn: 23.03.25).

Enorme Strommengen als Achillesferse

Die Investitionssumme für die Transformation beläuft sich auf etwa 4,6 Milliarden Euro. Bund und Land tragen davon 2,6 Milliarden. Bundesweit stehen insgesamt sieben Milliarden Euro an Subventionen zur Verfügung. Diese Summen stellen eine massive Belastung dar. Besonders kritisch bleibt dabei der Stromverbrauch, der sich laut Unternehmensangaben verdoppeln soll.

Grüner Stahl aus dem Saarland: Illusion und Wirklichkeit – eine Analyse zu Kosten, Strombedarf und der Rolle von Wasserstoff

DHS-Chef Rauber fordert Strompreise von vier Cent pro Kilowattstunde – aktuell zahlt das Unternehmen zwölf Cent. Eine Verdopplung des Strombedarfs im Saarland entspricht etwa acht Milliarden Kilowattstunden zusätzlich pro Jahr. Um diese Menge allein mit Windenergie zu decken, müssten rund 800 moderne Windräder errichtet werden. Im dicht besiedelten Saarland fehlt dafür jedoch der Platz.

Fehlende Versorgungssicherheit durch Erneuerbare

Wind- und Solarkraft sind wetterabhängig. Sogenannte Dunkelflauten führen regelmäßig zu Stromausfällen. Um die Produktion in Dillingen dauerhaft abzusichern, bräuchte es mindestens drei neue Gaskraftwerke als Backup. Diese würden ausschließlich für die Stahlproduktion benötigt.

Die dadurch entstehenden Strompreise dürften dauerhaft über zehn Cent pro Kilowattstunde liegen. Staatliche Zuschüsse für den Stromverbrauch erscheinen unausweichlich. Gleichzeitig treiben Netzausbau und Infrastrukturmaßnahmen die Preise weiter nach oben. Eine Entspannung ist in den nächsten zehn Jahren nicht in Sicht. Die Realität spricht klar gegen sinkende Stromkosten – das Gegenteil ist zu erwarten.

Grüner Wasserstoff bleibt Illusion

Der Plan, Eisenerz künftig ausschließlich mit grünem Wasserstoff zu reduzieren, basiert auf unsicheren Grundlagen. Dieser Wasserstoff lässt sich nur mit Wind- und Solarstrom erzeugen. Doch zahlreiche Ankündigungen scheiterten, allen voran die Insolvenz des Projekts HH2E im November 2024. Eine flächendeckende Versorgung mit heimischem Wasserstoff bis 2030 erscheint illusorisch.

Die Idee, Wasserstoff aus Norwegen zu importieren, erhielt ebenfalls einen Rückschlag. Die norwegische Seite zog sich zurück, da das Modell wirtschaftlich nicht tragfähig erschien. Der Preisunterschied ist massiv: Grüner Wasserstoff kostet aktuell fünf- bis sechsmal so viel wie Erdgas. Auch im Jahr 2030 dürften die Preise beim Dreifachen liegen. Wirtschaftlich ist das nicht tragbar.

Atomstrom aus Frankreich als Ausweg?

Bundeskanzler Scholz brachte gegenüber der Saarbrücker Zeitung französische Kernkraftwerke als Wasserstofflieferanten ins Spiel. Ironischerweise greift damit ausgerechnet die Bundesregierung, die Deutschlands letzte Kernkraftwerke stilllegte, nach ausländischem Atomstrom.

Bereits 2024 importierte Deutschland netto 13 Milliarden Kilowattstunden Strom aus Frankreich – ein historischer Höchststand. Macron kündigte jedoch an, Frankreich zum Zentrum für künstliche Intelligenz machen zu wollen. Dafür werden ebenfalls große Strommengen benötigt. Eine dauerhafte Abhängigkeit von französischem Strom ist also keineswegs gesichert.

Dabei liegt eine Lösung nahe: Die zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke wie Neckarwestheim-2 könnten kurzfristig reaktiviert werden. Diese Anlage allein lieferte elf Milliarden Kilowattstunden pro Jahr – klimaneutral, zuverlässig und günstig. Solche Kraftwerke hätten die von Rauber geforderten vier Cent pro Kilowattstunde ermöglichen können. Doch statt Widerstand zeigte die energieintensive Industrie kaum Engagement – lieber fordert sie staatliche Unterstützung.

Eine Industrie auf Dauerhilfe

Die Konsequenz dieser Entwicklung: Die saarländische Stahlproduktion basiert künftig auf einem Kostenniveau, das ohne Subventionen nicht tragfähig ist. Staatliche Hilfen stützen das Projekt – ohne klare Begrenzung. Ein Ausstieg ist nicht in Sicht.

Zudem drängt sich eine weitere Konstruktion auf: sogenannte grüne Leitmärkte. Sie verpflichten Abnehmerbranchen wie die Automobilindustrie dazu, bestimmte Mengen grünen Stahls zu verwenden. Diese Maßnahme erhöht die Produktionskosten der Abnehmer und verschärft die Standortfrage zusätzlich.

Letztlich verschärft sich die finanzielle Lage des Staates weiter. Eine Industrie, die dauerhaft auf Hilfen angewiesen bleibt, trägt nicht zur Stabilisierung der öffentlichen Haushalte bei. Und jeder Euro an Förderung muss am Ende durch andere finanziert werden – mit allen sozialen und wirtschaftlichen Folgen.

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