Trotz eines klaren Verbots gelangt Palmöl offenbar weiterhin in deutsche Kraftstofftanks – getarnt als angeblicher Abfallstoff. Statt echter Abfallprodukte nutzen Händler wohl frisches Palmöl, das gezielt umdeklariert wird. Auf diesem Weg entsteht der Eindruck eines umweltfreundlichen Kraftstoffs, obwohl die tatsächliche CO₂-Bilanz erheblich belastet ist. Die Täuschung untergräbt nicht nur den Markt, sondern auch das Vertrauen in nachhaltige Technologien (zdf: 02.04.25).
Palmöl als Abfallstoff getarnt
In Deutschland verkauft sich Biodiesel aus Abfallstoffen wie HVO zunehmend als saubere Alternative. Doch neue Handelsdaten deuten auf massive Manipulationen hin. Die Umweltorganisation Transport & Environment erkennt ein deutliches Missverhältnis zwischen weltweit produzierter und tatsächlich importierter Menge des Palmöl-Abfallstoffs POME. Cian Delaney warnt: „In Europas Biokraftstoffen wurde 2024 mehr als doppelt so viel POME verwendet, als weltweit überhaupt hergestellt werden kann.“
Hinweise auf massiven Betrug mit Palmöl bei Biokraftstoff – totz Verbots gelangt Palmöl offenbar durch Umdeklaration in deutsche Kraftstoffe
POME entsteht aus den Abwässern von Palmölmühlen und gilt in der EU als zulässiger Rohstoff für Biokraftstoffe. Palmöl hingegen ist ausgeschlossen – da der Anbau mit großflächiger Abholzung und hohen Emissionen verbunden ist. Genau an dieser Schnittstelle setzen offenbar viele Händler an: Frisches Palmöl erhält eine neue Identität als angeblicher Reststoff.
Warnungen aus Asien, Ermittlungen in Europa
Indonesien, einer der weltweit wichtigsten Palmölproduzenten, meldete bereits Anfang des Jahres massive Abweichungen in den Exportzahlen. Handelsminister Budi Santoso erklärte, auf dem Papier habe sein Land 2024 drei Millionen Tonnen POME exportiert – obwohl nur 300.000 Tonnen anfallen. Diese Differenz deutet auf gezielte Umdeklaration hin.
Auch in Europa wird inzwischen ermittelt. Die Europäische Staatsanwaltschaft EPPO verfolgt mehrere Fälle von organisiertem Betrug im Zusammenhang mit Biodiesel. Nach eigenen Angaben betreffen die Ermittlungen mutmaßliche Netzwerke in Deutschland, Belgien, Italien, den Niederlanden und Österreich. Die genaue Stelle in der Lieferkette, an der die Täuschung erfolgt, bleibt bislang unklar.
Zertifizierung unter Druck: Palmöl als Risiko erkannt
Im Zentrum der Kritik steht das Zertifizierungssystem des deutschen Anbieters ISCC. Dieses kennzeichnete POME bereits als besonders betrugsanfällig und schloss über 150 Unternehmen aus. Dennoch zirkulieren weiterhin große Mengen angeblicher Palmöl-Abfälle mit ISCC-Siegel. Das Unternehmen verweist auf seine hohen Standards und betont, es gebe keine gleichwertige Alternative.
Die EU-Kommission prüft aktuell, die Anerkennung der ISCC-Zertifizierung für zweieinhalb Jahre auszusetzen. Ein Sprecher stellt klar: „Es besteht das handfeste Risiko von Unregelmäßigkeiten und Betrug, in allen Lieferketten, in denen frische Biomasse mit Abfällen oder Rückständen vermischt wird.“ Eine EU-weite Rückverfolgbarkeitsdatenbank befindet sich im Aufbau, ist jedoch noch nicht im Einsatz.
Industrie fordert sofortige Konsequenzen
Aus der deutschen Biokraftstoffbranche kommt heftige Kritik. Die eigens gegründete Initiative „Klimabetrug stoppen“ fordert ein Moratorium für die Anrechnung fragwürdiger Rohstoffe. „Die Zahlen von Transport & Environment sind erschreckend“, betont eine Sprecherin. Ohne verlässliche Kontrollen könnten sich betrügerische Unternehmen auf Kosten regelkonformer Anbieter Vorteile verschaffen.
„Wir fordern die sofortige Suspendierung der Anrechnung von POME und ‚Food Waste‘ für Biokraftstoffe, bis ein lückenloses Kontrollsystem implementiert ist.“ Auch das Bundesumweltministerium sieht Handlungsbedarf – verweist jedoch auf die Zuständigkeit der EU. Deutschland habe bereits 2024 auf die Risiken bei Palmölimporten hingewiesen.
Täuschung statt Transparenz
Durch die gezielte Umdeklaration von Palmöl droht dem Biokraftstoffmarkt ein massiver Vertrauensverlust. Anstelle echter Nachhaltigkeit gelangen umweltschädliche Produkte über Schlupflöcher in den Verkehr. Verbraucher tanken vermeintlich sauberen Kraftstoff – doch der Ursprung liegt oft auf gerodeten Regenwaldflächen.
Solange ein wirksames Kontrollsystem fehlt, bleibt der Markt offen für Täuschung. Die geplante EU-Datenbank könnte langfristig für Transparenz sorgen. Doch bis dahin nutzen skrupellose Akteure das System gezielt aus. Palmöl, eigentlich ausgeschlossen, steht damit sinnbildlich für einen der größten Betrugsfälle im Energiesektor.
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