Immer mehr Handwerksbetriebe verlagern ihren Standort aufs Land. Die Gründe dafür liegen nicht nur in günstigeren Mieten oder besseren Flächenangeboten. Viel entscheidender ist die Verkehrspolitik vieler Städte. Handwerker stoßen dort täglich an ihre Grenzen – vor allem beim Parken. Das betrifft besonders Innenstädte im Rhein-Main-Gebiet. Susanne Haus, Präsidentin der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main, bringt es auf den Punkt: „Es gibt schon Kollegen, die Aufträge ablehnen, wenn es keine Parkmöglichkeit vor dem Haus gibt“ (faz: 09.04.25).
Handwerker am Limit durch städtische Verkehrspolitik
Kürzlich stand ihr Malerbetrieb vor einem typischen Problem. Zwei Fahrzeuge fuhren zur Baustelle in Mainz, doch nur eines konnte stehen bleiben. Das andere fuhr leer zurück. „Also haben wir kurz in der zweiten Reihe gehalten und abgeladen“, schildert Haus. Solche Umwege kosten Zeit und Personal. Anstatt sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, verschwenden Handwerker Energie auf Parkplatzsuche oder Rückfahrten. Die Politik zeigt wenig Verständnis, obwohl das Problem längst bekannt ist. Eine große Umfrage des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) unter 8000 Betrieben – darunter 404 aus Hessen – belegt die schwierige Lage.
Immer mehr Handwerker verlassen die Städte, weil fehlende Parkplätze und schlechte Infrastruktur ihre Arbeit massiv behindern
Durchschnittlich besitzen Handwerksbetriebe vier Fahrzeuge. Diese steuern täglich verschiedene Baustellen an, oft über viele Kilometer hinweg. Diesel- und Benzinfahrzeuge dominieren den Fuhrpark. Gleichzeitig wächst der Druck, auf klimafreundlichere Antriebe umzusteigen. Doch genau hier klaffen Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander.
Elektromobilität im Handwerk bleibt kompliziert
Frank Dittmar, Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern, betont, viele Unternehmen seien grundsätzlich offen für neue Technologien. Die Realität sehe jedoch anders aus: „Solange Fahrzeugangebot, Ladeinfrastruktur und wirtschaftliche Rahmenbedingungen nicht besser auf die Praxis zugeschnitten sind, bleibt der Umstieg für viele Betriebe schwer umsetzbar.“
Die Probleme beginnen bereits bei der Alltagstauglichkeit. Susanne Haus nennt ein Beispiel aus ihrem eigenen Betrieb: Ein Lastenrad sei zwar vorhanden, aber mit diesem könne man weder eine Tonne Putz noch dutzende Gipskartonplatten transportieren. „Damit kann ich höchstens mal ein paar Musterbücher zum Kunden bringen.“ Hinzu kommt, dass viele Handwerkerfahrzeuge als mobile Werkstatt dienen – ausgestattet mit Maschinen, Ersatzteilen und Werkzeug. Öffentliche Verkehrsmittel sind daher keine Alternative.
Die Städte verlieren ihre Versorger
Auch rund um den Betriebssitz entstehen täglich neue Hindernisse. Nur die Hälfte der befragten Betriebe verfügt über ausreichend eigene Stellflächen. Der Rest muss Parkplätze anmieten oder auf den öffentlichen Raum ausweichen. Die Folge: Viele Betriebe ziehen ins Umland, wo Platz und Flexibilität noch zu finden sind. „Wir steuern auf eine Unterversorgung in den Städten zu“, warnt Haus.
Die Handwerkskammern sehen in einem gemeindeübergreifenden Parkausweis für Handwerker einen sinnvollen Schritt. Auch vereinfachte Genehmigungsverfahren und mehr Lade- sowie Haltezonen könnten helfen. Solche Maßnahmen würden nicht nur die Logistik vereinfachen, sondern auch Verzögerungen auf Baustellen vermeiden.
Baustellenchaos und schlechte Straßen erschweren die Lage
Neben Park- und Mobilitätsfragen beklagen die befragten Betriebe auch strukturelle Schwächen. Staus durch schlecht koordinierte Baustellen, fehlende Umgehungsstraßen oder sanierungsbedürftige Brücken zählen zu den größten Ärgernissen. Die Folgen sind längere Anfahrtszeiten, mehr Leerlauf und steigende Kosten.
Susanne Haus bestätigt das aus eigener Erfahrung: Viele Mitarbeiter benötigten unverhältnismäßig viel Zeit, um ihre Ziele zu erreichen. Für die Unternehmen bedeute das nicht nur Stress, sondern auch finanzielle Belastung. Frank Dittmar fasst die Lage zusammen: „Ob im ländlichen Raum oder in der Stadt, das Handwerk ist auf verlässliche Verkehrswege und klare Regelungen angewiesen. Eine moderne Verkehrspolitik muss die tatsächlichen Anforderungen der Betriebe berücksichtigen.“
Die aktuellen Rahmenbedingungen verkennen den Beitrag, den Handwerker zur städtischen Versorgung leisten. Wenn die Situation unverändert bleibt, droht nicht nur eine Abwanderung, sondern auch ein Qualitätsverlust in der Versorgung – mitten im urbanen Raum.
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