Die Elektrifizierung des deutschen Bahnnetzes kommt kaum voran. Während andere Länder in Europa ihre Schienen systematisch umrüsten, verläuft der Ausbau hierzulande schleppend. Im Jahr 2024 erhielten lediglich 20 Kilometer neue Oberleitungen. Für 2025 stehen kaum mehr als 45 Kilometer auf dem Plan. Nach Berechnungen des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und der Allianz pro Schiene bleibt damit rund ein Drittel des Netzes weiterhin ausschließlich mit Dieselzügen befahrbar (heise: 07.05.25).
Bürokratieabbau soll Elektrifizierung beschleunigen
Trotz des langsamen Tempos wächst die Hoffnung auf Reformen. Die neue Bundesregierung hat angekündigt, bürokratische Hürden im Infrastrukturausbau abzubauen. Besonders die bisher verpflichtende Nutzen-Kosten-Bewertung soll entfallen. Diese Maßnahme galt bislang als zentrale Voraussetzung für jedes Elektrifizierungsprojekt. Durch ihren Wegfall könnte sich der Planungsprozess spürbar beschleunigen.
Ausbau stockt: Ein Drittel des deutschen Bahnnetzes bliebt ohne Elektrifizierung – 2024 wurden gerade 20 Kilometer mit Oberleitungen versehen
Ein verbindliches Ziel zur Streckenelektrifizierung nennt das Regierungsbündnis bisher nicht. Dennoch halten die Branchenverbände eine Quote von 80 Prozent bis 2035 für realistisch. Der Klima- und Transformationsfonds soll dabei als zusätzliche Finanzierungsquelle dienen. Parallel dazu könnten auch Investitionen in militärische Transportkapazitäten eine Rolle spielen, um neue Anreize für den Ausbau zu schaffen.
Nebenstrecken als unterschätzte Chance
Ein weiterer Hebel liegt in der Behandlung von Nebenstrecken. Hier lassen sich pragmatische Lösungen ohne aufwendige Hochgeschwindigkeitsinfrastruktur umsetzen. Eine Standard-Oberleitung für 100 km/h würde ausreichen und gleichzeitig Baukosten sowie Planungszeiten senken. Gerade im ländlichen Raum könnten so stillgelegte oder nur mit Diesel betriebene Strecken wirtschaftlich reaktiviert werden.
Die Verbände fordern zudem gezielte Investitionen an den europäischen Grenzübergängen. Aktuell verfügen nur 28 von 57 Übergängen über eine durchgehende Oberleitung. Besonders an den Grenzen zu Polen und Tschechien erschwert diese Lücke einen reibungslosen Schienenverkehr. Der internationale Gütertransport leidet unter diesen Versäumnissen spürbar.
Elektrifizierungsquote stagniert seit Jahren
Zwischen 2020 und 2025 stieg der Anteil elektrifizierter Bahntrassen lediglich von 61 auf 62 Prozent. Das Ziel der früheren Bundesregierung, bis 2025 drei Viertel des Netzes zu elektrifizieren, bleibt in weiter Ferne. Ohne konkrete Ausbaupläne, feste Etappenziele und verbindliche Finanzierungszusagen stagniert der Fortschritt.
Die aktuelle Elektrifizierungsquote zeigt ein Bild unzureichender Priorisierung. Statt gezielter Maßnahmen dominieren Einzelprojekte ohne langfristige Strategie. Wachsende Baukosten, knappe Planungskapazitäten und fehlende politische Entschlossenheit verschärfen die Lage zusätzlich.
Klimaziele brauchen funktionierende Infrastruktur
Ohne eine breit angelegte Elektrifizierung bleibt die Verkehrswende reine Theorie. Der Schienenverkehr kann sein Potenzial nur dann ausschöpfen, wenn eine durchgängige elektrische Versorgung besteht. Die politischen Ankündigungen reichen nicht aus – es braucht konkrete Umsetzung, klar definierte Ziele und stabile Finanzierung.
Deutschland riskiert sonst den Anschluss an europäische Standards zu verlieren. Während andere Länder das Schienennetz konsequent modernisieren, verharrt hierzulande der Ausbau im Planungsstau. Die Zeit für Absichtserklärungen ist vorbei – jetzt zählen Ergebnisse.
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