Start der digitalen Patientenakte – ein einziges Desaster

Von | 19. Mai 2025

Die digitale Patientenakte sollte den Gesundheitsbereich modernisieren und Arztpraxen entlasten. Doch nach dem bundesweiten Start zeigen sich gravierende Mängel. In vielen hessischen Praxen und Kliniken überwiegt die Enttäuschung. Christian Sommerbrodt, Vorsitzender des Hausärzteverbands, bringt die Misere prägnant auf den Punkt: „Vom Bundesgesundheitsministerium wurde es beworben wie ein iPhone 16. Erwartet haben wir ein Nokia. Was wir bekommen haben, ist ein Telefon mit Wählscheibe“ (pharmazeutische_zeitung:14.05.25)

Technische Hürden lähmen die digitale Patientenakte

Rund ein Drittel der Praxen verfügt überhaupt über die technischen Voraussetzungen, um auf die digitale Patientenakte zuzugreifen. Mehr als 100 verschiedene Praxissoftware-Systeme erschweren eine einheitliche Umsetzung. Manche Programme laufen bereits, andere benötigen Updates – und einige Praxen müssen sogar den Anbieter wechseln.

Die digitale Patientenakte startet mit massiven Problemen – Technische Hürden, kaum Patientennutzung und gravierende Sicherheitslücken

Dort, wo die EPA bereits funktioniert, zeigt sich: Die Anwendung bleibt unausgereift. Sommerbrodt beschreibt die Akte als digitale Ablage ohne Struktur. „Digital ist daran gar nichts. Das ist eine Dropbox, in die man PDF-Dokumente reinschmeißt. Es gibt keine Ordnung und man kann nichts suchen.“ Sicherheitsstandards fehlen, was besonders im medizinischen Bereich schwer wiegt.

Patienteninteresse gering – Nutzung nahezu null

Die erhoffte Akzeptanz auf Patientenseite bleibt aus. Kaum jemand nutzt die digitale Patientenakte aktiv. Zwar existieren Apps der Krankenkassen, doch nur wenige laden sie herunter oder verstehen die Bedienung. Gerade ältere oder schwer kranke Menschen sehen sich überfordert. Wer es versucht, verliert schnell die Geduld und gibt auf.

Auch Apotheken kämpfen mit Anlaufschwierigkeiten. Technische Probleme dominieren den Alltag. Dennoch erkennen viele Apotheken das grundsätzliche Potenzial der EPA – wenn die Umsetzung gelingt.

Digitale Patientenakte ohne funktionierende Struktur

Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen erkennt grundsätzlich den Nutzen einer digitalen Patientenakte. In anderen Ländern schafft sie mehr Effizienz, bessere Versorgung und schnellere Informationen. Doch in Deutschland fehlt ein tragfähiges Konzept. Karl Roth von der KV Hessen äußert sich dazu deutlich: „Nur haben wir es in Deutschland mal wieder ‚meisterhaft‘ verstanden, für eine sinnvolle Innovation nicht nur wahnsinnig viel Zeit zu brauchen, sondern ein Produkt an den Start zu bringen, das den eigentlichen Sinn einer solchen Akte gar nicht erfüllen kann.“

Besonders problematisch bleibt die patientengeführte Struktur der Akte. Behandelnde Ärzte benötigen einen schnellen Überblick über relevante medizinische Informationen. Dies gelingt jedoch nicht, wenn Daten ungeordnet und ohne Suchfunktion vorliegen. Roth warnt: So bleibt die digitale Patientenakte ein nutzloses Werkzeug.

Vertrauensverlust durch Sicherheitslücken

Bereits wenige Tage nach dem Start kamen Sicherheitsmängel ans Licht. Diese Lecks untergraben das Vertrauen in die digitale Patientenakte weiter. Wer Gesundheitsdaten digital verwaltet, erwartet Zuverlässigkeit und Datenschutz. Beides bleibt bislang unzureichend gewährleistet.

Damit verfehlt die digitale Patientenakte ihr Ziel: mehr Effizienz, mehr Transparenz und bessere Versorgung. Der politische Wille zur Digitalisierung reicht nicht aus, wenn technische Umsetzung, Sicherheit und Anwenderfreundlichkeit fehlen. Ein Neustart ist dringend nötig – mit durchdachter Architektur, klaren Zuständigkeiten und einem realistischen Blick auf die Praxisbedingungen.

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