IT-System führt 1440 unbesetzte Lehrerstellen als besetzt – Bildungsskandal im Südwesten

Von | 21. Juli 2025

Ein fehlerhaftes IT-System hat in Baden-Württemberg 1440 Lehrerstellen über Jahre fälschlich als besetzt angezeigt. Die betroffenen Schulen litten unter erheblichem Personalmangel – ohne dass die Kultusverwaltung davon Kenntnis hatte. Der Schaden betrifft nicht nur das Bildungsniveau, sondern auch das Vertrauen in staatliche Kontrollmechanismen (focus:16.07.25).

Fehlerhaftes IT-System verschleiert jahrelang massiven Lehrermangel

Die Panne reicht bis ins Jahr 2005 zurück. Damals stellte die Kultusverwaltung auf ein neues IT-System zur Personal- und Stellenverwaltung um. Bereits bei der Datenübertragung trat ein Fehler auf. In der Folge wurden freie Stellen jahrzehntelang als besetzt geführt. Korrigiert wurden die Daten nie – die Software addierte stattdessen jährlich rund 100 Positionen zur falschen Summe hinzu.

1440 Lehrerstellen fehlen, obwohl das IT-System sie als besetzt führt – mit massiven Folgen für Baden-Württembergs Schulen

Die Entdeckung erfolgte erst, als ein neues System erstmals alle Stellen neu berechnete. Ergebnis: 1440 Lehrer fehlten, obwohl sie offiziell im System geführt wurden. Besonders betroffen sind Grundschulen, berufliche Schulen und sonderpädagogische Einrichtungen, die bereits zuvor unterbesetzt arbeiteten.

Milliardenetat kaschiert jahrzehntelange Lücke

Obwohl die Stellen im IT-System auftauchten, floss kein Geld für Gehälter. Das Kultusministerium schätzt den jährlichen Ausfall auf bis zu 120 Millionen Euro. „Das sei nicht aufgefallen bei einem solchen milliardenschweren Haushalt“, lautet die offizielle Erklärung. Die Mittel blieben unangetastet – der Unterricht aber fiel aus.

Die Folgen zeigen sich heute deutlich: Lehrkräfte arbeiten am Limit, Förderangebote bleiben aus, Kinder verlieren wichtige Lernzeit. Jetzt soll ein umfassender Plan zur Nachbesetzung starten, vor allem an den besonders betroffenen Schulformen.

Wut über Panne im IT-System wächst

Die öffentliche Reaktion fällt drastisch aus. Der Landesschülerbeirat spricht von „Geisterlehrkräften“, der Elternbeirat vom „größten Bildungsskandal seit Jahrzehnten“. Die Bildungsgewerkschaft GEW fordert: „Jeder Euro, der in den vergangenen Jahren auf Kosten der Kinder und Jugendlichen sowie ihrer Lehrkräfte nicht an die Schulen geflossen ist, muss für die dringend nötigen Investitionen wie Ganztagsausbau, Inklusion und bessere Förderung zurückgezahlt werden.“

Der Verein für Gemeinschaftsschulen nennt die Fehlerkette eine „einzigartige Mischung aus Unvermögen, Achtlosigkeit und Desinteresse“. Auch im Landtag hagelt es Kritik. FDP und CDU sprechen von strukturellem Versagen in den grünen Ministerien für Kultus und Finanzen.

Kontrollmechanismen sollen komplett überarbeitet werden

Eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Kultus- und Finanzministerium will die Ursachen der Fehlbuchungen systematisch aufarbeiten. Begleitet vom Rechnungshof soll das Projekt künftig eine korrekte Zuordnung jeder Stelle gewährleisten. Das fehleranfällige Verfahren innerhalb der Poolstellenverwaltung müsse grundlegend modernisiert werden.

Laut Ministerien existiert die Problematik ausschließlich im IT-System der Lehrerstellenverwaltung. In anderen Verwaltungsbereichen gebe es solche Abweichungen nicht. Die ungenaue Praxis, Haushaltsstellen nicht direkt mit Personalakten zu koppeln, gilt mittlerweile als schwerwiegender Systemfehler.

Schulstart unter Druck

Bis zum Schulbeginn am 15. September müssen 1440 Stellen besetzt sein – das fordert die GEW. Die Landesregierung hat angekündigt, besonders an Grundschulen, in G9-Jahrgängen und im Bereich der Krankheitsreserven personell nachzulegen. Doch das Vertrauen ist erschüttert, der Schaden immens. Und eine schnelle Lösung wirkt angesichts des Ausmaßes der Fehlplanung kaum realistisch.

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