Belgien setzt im Kampf um die Stahlindustrie auf Atomstrom. Diese Strategie soll helfen, den Wohlstand des Landes zu sichern. Die belgische Regierung hat mit ArcelorMittal einen Vertrag über die Lieferung von günstigem Atomstrom abgeschlossen, der langfristig Arbeitsplätze sichern soll (welt: 27.05.24).
Belgiens Atomstrom-Deal: ArcelorMittal investiert Milliarden und sichert Tausende Arbeitsplätze
Premierminister Alexander de Croo unterzeichnete kürzlich eine Absichtserklärung mit ArcelorMittal. Der Weltmarktführer kann bis 2035 große Mengen günstigen Stroms aus den Atomkraftwerken Doel 4 und Tihange 3 beziehen. Im Gegenzug verpflichtet sich ArcelorMittal zu Milliardeninvestitionen in Belgien.
Belgien schließt Atomstrom-Deal mit ArcelorMittal. Milliarden Investitionen und Tausende sichere Arbeitsplätze durch billigen Atomstrom
Bild: Hullie, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Atomstrom gilt als klimaneutral und würde ArcelorMittal helfen, seine Klimaziele zu erreichen. Der Konzern plant, bis 2035 den Treibhausgasausstoß um ein Drittel zu reduzieren und bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu produzieren. Allein im Werk Gent sind fast 5000 Mitarbeiter beschäftigt.
Milliardenhilfen und grüner Wasserstoff: Europas Stahlindustrie im Wandel
Die Stahlindustrie ist für viele europäische Länder eine Schlüsselbranche. In Deutschland wird sie als Rückgrat des Industriestandorts betrachtet. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung betont die Bedeutung von Stahl für Bauindustrie, Automobilhersteller und Maschinenbau.
Innerhalb der EU herrscht ein Subventionswettlauf um die Stahlproduktion. Deutschland hat Milliardenhilfen zugesagt, um die Produktion auf emissionsarme Methoden umzustellen. Grüner Wasserstoff soll dabei langfristig die bisherigen Energieträger ersetzen. Derzeit wird jedoch noch Erdgas verwendet, was bereits eine deutliche CO₂-Ersparnis bringt.
Die neuen Anlagen nutzen eine Direktreduktionsmethode, bei der zunächst poröser Eisenschwamm produziert und anschließend in Elektrolichtbogenöfen zu Rohstahl weiterverarbeitet wird. Diese Elektroöfen können auch Stahlschrott recyceln, was den Stromverbrauch jedoch erheblich erhöht. ArcelorMittal betreibt bereits ein solches Aggregat in Hamburg, das während der Energiekrise aufgrund hoher Stromkosten stillstand.
Belgiens Rückkehr zur Atomkraft
Während Deutschland vor einem Jahr die letzten Kernkraftwerke stilllegte, revidierte Belgien seinen Atomausstieg. Die Laufzeit der Reaktoren in Doel und Tihange wurde bis 2035 verlängert. Dies sichert große Mengen klimaneutraler Elektrizität. Der französische Betreiber Engie verlangte jedoch eine Beteiligung des belgischen Staates an den Kraftwerken, um finanzielle Risiken zu senken.
Belgien kontrolliert nun fast die Hälfte der Atomreaktoren und damit auch der klimaneutralen Stromproduktion. Ein Großteil des Stroms soll ArcelorMittal zu vergünstigten Preisen zur Verfügung gestellt werden. Die genaue Preisersparnis bleibt unbekannt, doch das belgische Wirtschaftsblatt „De Tijd“ bezeichnet den Deal als „krönenden Abschluss einer Charme-Offensive“, um Abwanderungen nach Deutschland oder Frankreich zu verhindern.
Das belgische Parlament hat bereits Rabatte auf die Netznutzungsentgelte für Großverbraucher beschlossen. Flandern gibt weitere 120 Millionen Euro Direkthilfen für ArcelorMittal und hat einen Kreditrahmen von bis zu 600 Millionen Euro eingerichtet. Dies soll sicherstellen, dass Gent weiterhin eine führende Rolle in der Stahlindustrie spielt.
Zukunft der belgischen Energiepolitik
Belgien hat noch nicht alle Möglichkeiten der Laufzeitverlängerung ausgeschöpft. Doel 4 und Tihange 3 können bis zu 14 Terawattstunden Strom jährlich erzeugen, was etwa einem Sechstel der belgischen Stromproduktion entspricht. Der Staat kontrolliert sechs bis sieben Terawattstunden, während ArcelorMittal maximal 2,8 Terawattstunden benötigt.
Der verbleibende Strom soll gezielt eingesetzt werden. Energieministerin Tinne Van der Straeten betont, dass der Staat als Energieproduzent eine neue Rolle einnimmt. Belgien entscheidet nun, an wen der Strom verkauft wird und zu welchen Bedingungen. Betriebe müssen dafür langfristige Standortzusicherungen und Investitionsversprechen erfüllen. Dies könnte auch anderen energieintensiven Branchen wie Chemie, Papier oder Baustoffe zugutekommen.
In der Stahlindustrie ist der Ausstieg aus dem Kohlenstoff besonders dringlich. Deutschland zählt mit fast 60 Millionen Tonnen CO₂ zu den größten Emittenten. Die Umstellung der Produktion auf klimaneutrale Methoden ist ein „gewaltiger Kraftakt“, wie Kerstin Maria Rippel von der Wirtschaftsvereinigung Stahl betont. Die Branche rechnet mit 30 Milliarden Euro Kosten für den Umbau ihrer Anlagen.
Belgien hofft neben den industriepolitischen und Klimaschutz-Effekten auch auf Erleichterungen bei der Ausweitung erneuerbarer Energien. Verträge, die Abschaltungen von Industrieanlagen bei wenig Wind und Sonne vorsehen, sollen das Stromnetz entlasten. Die Genter Stahlöfen haben eine Leistung von rund 400 Megawatt. Ihre Abschaltung entspricht der Produktion eines kleineren Kernreaktors.
Bis 2045 könnte sich dieses Potenzial verzehnfachen. Deutschland braucht aufgrund fehlender Stromspeicher und der Abschaltung verlässlicher Erzeuger diese Nachfragesteuerung jedoch dringender.
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