Wenn zu viel Ökostrom zur Gefahr wird: Drohende Netzprobleme an Wochenenden und Feiertagen

Von | 28. April 2025

An sonnigen Wochenenden und Feiertagen steigt in Süddeutschland die Spannung – nicht nur meteorologisch, sondern vor allem im Stromnetz. Wenn Photovoltaikanlagen zur Mittagszeit auf Hochtouren laufen, während der Stromverbrauch aufgrund stillstehender Industrieanlagen sinkt, stoßen Netzbetreiber an ihre Grenzen. In Bayern und Baden-Württemberg könnten im Extremfall Waschmaschinen stillstehen, Fahrstühle steckenbleiben, ganze Landkreise vom Netz getrennt werden – ausgerechnet durch zu viel grünen Strom (welt: 23.04.25).

Netzstabilität besonders an Wochenenden und Feiertagen in Gefahr

Solche Eingriffe gelten als „Brownout“ – eine vorsorgliche, kontrollierte Abschaltung einzelner Regionen, um einen völligen Stromausfall, also einen Blackout, zu verhindern. Dieses Szenario käme einer Niederlage für die Energiewende gleich und erschüttert das Vertrauen von Investoren. Bereits jetzt wird im politischen Raum über Zuständigkeiten gestritten, obwohl die kritischen Tage erst bevorstehen.

An Wochenenden und Feiertagen droht Süddeutschland wegen Stromüberschuss durch Solarenergie ein regionaler Netzausfall

In der Vergangenheit beschäftigte man sich vor allem mit der „Dunkelflaute“, also mit zu wenig Wind und Sonne. Das Gegenteil – die sogenannte „Hellbrise“ – findet bislang weniger Beachtung. Dabei stellt ein Überangebot an Strom an verbrauchsschwachen Tagen ein ebenso großes Risiko dar. Besonders kritisch: Wochenenden und Feiertage mit wolkenlosem Himmel. Millionen Solarmodule speisen dann ungebremst ins Netz ein, obwohl Industrie und Büros stillstehen.

Zwei kritische Situationen 2023

Bereits im vergangenen Jahr kam es im April und Oktober beinahe zu ernsthaften Netzstörungen. Damals traf eine hohe Eigenproduktion in Deutschland auf kräftigen Stromdurchfluss aus Osteuropa. Nur durch intensive Steuerung ließ sich ein regionaler Netzausfall vermeiden. Seither investieren Tennet, Amprion, 50Hertz und TransnetBW in stabile Prozesse. Vor Ostern hieß es aus Baden-Württemberg: „Allzu große Sorgen muss sich niemand machen“, gleichzeitig empfahl man, auf Stromausfälle vorbereitet zu sein.

Der Blick auf die Wetterlage entscheidet mit über die Anspannung bei Netzbetreibern. Regen und Wolken gelten als beruhigend. Sonnenschein hingegen löst technische Herausforderungen aus – vor allem, weil die Solaranlagen in der Mittagszeit ihr Maximum erreichen, während die Batteriespeicher zu diesem Zeitpunkt meist schon voll sind. „Für uns Netzbetreiber macht es das eher schwieriger“, berichtet ein Ingenieur, der täglich an der Netzsteuerung beteiligt ist.

Batteriespeicher stoßen an Grenzen

Aktuell speisen rund 4,8 Millionen Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von etwa 100 Gigawatt ins deutsche Stromnetz ein – das entspricht der Leistung von 100 Atomkraftwerken. Doch dieser Strom lässt sich nicht beliebig speichern oder exportieren. Kleinere Heimspeicher sind meist innerhalb weniger Stunden vollgeladen. Danach drücken die Anlagen ihre volle Leistung ins Netz – häufig genau dann, wenn der Bedarf besonders niedrig liegt.

Die Bundesnetzagentur verweist auf einen umfangreichen Maßnahmenkatalog. „Notfallartige Eingriffe gelten als unwahrscheinlich“, heißt es. Dennoch haben Netzbetreiber die Kommunikation mit industriellen Großverbrauchern verstärkt, um in kritischen Momenten flexibler agieren zu können. Auch Transformatorenhersteller wurden gebeten, Auslastungen über der Norm zuzulassen. Die Antwort lautete: möglich, aber risikobehaftet.

Gesetzeslücken bei Altanlagen

Ein weiteres Problem: Etwa die Hälfte der Solaranlagen lässt sich nicht aus der Ferne regeln. Obwohl neue Anlagen mit Abschalttechnik ausgestattet sein müssen, bleibt ein Großteil des Bestands unkontrollierbar. Die Bundesregierung reagierte zuletzt mit einem Gesetz zur Vermeidung von Erzeugungsspitzen, das allerdings vor allem Neuanlagen betrifft. Für ältere Installationen fehlen weiterhin praxistaugliche Regelmechanismen.

Besonders angespannt ist die Lage in Bayern. Der Freistaat setzte lange auf Photovoltaik und lehnte sowohl Windräder als auch große Stromtrassen zum Nord-Süd-Ausgleich ab. Das rächt sich nun. Im Sommer schießen die Erträge durch die Decke, im Winter liefert die Sonne kaum noch etwas. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger kritisierte Anfang April die Netzbetreiber: „Die Netzbetreiber sind dafür verantwortlich, das Stromnetz stabil zu halten.“ Gleichzeitig verwies er auf die Untätigkeit des Bundes, der für gesetzliche Steuerungsbefugnisse zuständig sei.

Während Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck den rasanten Ausbau der Solarenergie noch als Erfolg feierte, muss sein Nachfolger sich nun mit den Nebenwirkungen auseinandersetzen. Unvorhersehbare Wetterlagen, fehlende Steuerungstechnologien und politische Uneinigkeit bringen das Netz in kritischen Momenten an den Rand des Kollapses.

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