Europa am Stromlimit – Blackout in Spanien offenbart gefährliche Schwächen

Von | 8. Mai 2025

Der massive Stromausfall in Spanien und Portugal hat die Schwachstellen im Stromnetz in Europa offengelegt. Millionen Menschen waren betroffen, während Behörden noch immer die Ursachen untersuchen. Doch unabhängig von technischen Details sind sich Fachleute einig: Ohne grundlegende Investitionen drohen künftig noch schwerwiegendere Ausfälle (reuters: 06.05.25). Kristina Ruby von Eurelectric betont: „Der Blackout war ein Weckruf. Es zeigte sich, dass die Modernisierung und Verstärkung des europäischen Stromnetzes dringend und unausweichlich ist.“

Veraltete Infrastruktur und digitale Risiken

Mehr als die Hälfte der Stromleitungen in Europa stammt aus einer anderen Epoche – viele Leitungen sind über 40 Jahre alt. Der rapide Ausbau erneuerbarer Energien und die wachsende Nachfrage durch Rechenzentren und E-Mobilität überfordern die bestehende Infrastruktur. Neben der physischen Modernisierung fehlen auch digitale Schutzmechanismen gegen Cyberangriffe.

Der Blackout in Spanien und Portugal zeigt: Das Stromnetz in Europa ist marode. Ohne Milliardeninvestitionen droht der Kollaps

Obwohl sich die weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien seit 2010 fast verdoppelt haben, stagniert der Netzausbau bei jährlich etwa 300 Milliarden Dollar. Laut der Internationalen Energieagentur müsste dieser Betrag bis 2030 auf über 600 Milliarden steigen. Red Electrica nannte zwei technische Vorfälle als Ursache des spanischen Ausfalls, doch grundlegende strukturelle Probleme stehen im Hintergrund.

Schneller Ausbau erneuerbarer Energien verschärft Engpässe

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine forcierte Europa den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. In der Folge stieg der Anteil erneuerbarer Energien im EU-Strommix auf 47 Prozent – 2019 lag er noch bei 34 Prozent. Gleichzeitig sank der Anteil fossiler Quellen deutlich.

Spanien setzt auf den vollständigen Ausstieg aus Kohle und Kernkraft. Im Jahr 2024 erreichte das Land mit 56 Prozent einen Rekordanteil an erneuerbarem Strom. Während Wind- und Solaranlagen vergleichsweise rasch errichtet werden, benötigt der Netzausbau über ein Jahrzehnt – ein strukturelles Ungleichgewicht entsteht.

Laut Schätzungen der EU-Kommission müssen bis 2050 etwa 2,0 bis 2,3 Billionen Dollar in europäische Stromnetze investiert werden. Im Jahr 2023 flossen rund 80 Milliarden Euro in die Netze – deutlich mehr als in den Vorjahren, aber weiterhin unzureichend.

Schwache Verbindungen zwischen Staaten gefährden Versorgung in Europa

Besonders betroffen sind Länder mit wenigen internationalen Stromverbindungen. Spanien etwa ist zu nur 5 Prozent mit dem europäischen Festland vernetzt. Mehr Anbindungen an Frankreich und Marokko sind in Planung, darunter eine neue Leitung durch die Biskaya, die die Verbindungskapazität verdoppeln soll.

Die EU strebt bis 2030 eine Interkonnektivität von 15 Prozent an, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Noch bleibt dieses Ziel in weiter Ferne. Auch Portugal ist kaum an externe Netze angebunden und besitzt nur zwei Anlagen für kurzfristige Ersatzstromversorgung – ein Gas- und ein Wasserkraftwerk.

Speicher fehlen, Frequenzstabilität gefährdet

Die zunehmende Einspeisung von Solar- und Windstrom stellt neue Anforderungen. Beide Technologien liefern Gleichstrom, während Haushalte und Unternehmen Wechselstrom benötigen. Inverter übernehmen die Umwandlung, doch bei Schwankungen droht ein Frequenzabfall.

Fällt die Frequenz unter 50 Hertz, greifen automatische Schutzmechanismen, um Schäden an Leitungen und Transformatoren zu verhindern. Wenn zu viele Anlagen gleichzeitig vom Netz gehen, entsteht ein Blackout. Genau dieses Szenario trat vergangene Woche in Spanien ein – trotz vorheriger Warnungen von Branchenvertretern.

Spaniens Pläne zum Atomausstieg bis 2035 bergen zusätzliche Risiken. Ohne neue Back-up-Kapazitäten bleibt die Versorgung labil. Auch Großbritannien kämpfte bereits mit Netzinstabilität. Ein Stromausfall im Jahr 2019 traf über eine Million Menschen. Seitdem investierte das Land in Batteriespeicher – Ende 2024 standen rund fünf Gigawatt zur Verfügung.

Europas Speicherlücke bleibt gravierend

Aktuell verfügt Europa über 10,8 Gigawatt an Batteriespeicher. Bis 2030 sollen es 50 Gigawatt sein – nötig wären jedoch mindestens 200. Diese Lücke gefährdet die Netzsicherheit in hohem Maße. In Irland errichtete Siemens Energy das weltweit größte Schwungrad zur Stabilisierung des Stromnetzes – doch auch solche Technologien reichen nicht aus, um die strukturellen Defizite zu kompensieren.

Europa steht vor einer immensen Aufgabe. Ohne umfassende Investitionen und koordinierte Modernisierungen drohen Blackouts zur neuen Normalität zu werden.

Lesen Sie auch:

Wie sicher ist unser Stromnetz?

Mega-Blackout legt Spanien lahm – Auswirkungen bis nach Frankreich und Portugal

Massiver Stromausfall in Spanien und Portugal – erste Erkenntnisse zur Ursache

Spanien stoppt den Atomausstieg und verlängert die Laufzeiten der Kernkraftwerke

Der Beitrag Europa am Stromlimit – Blackout in Spanien offenbart gefährliche Schwächen erschien zuerst auf .

Teilen ...

Schreibe einen Kommentar