Studie: EU-Ziele der Wasserstoffstrategie sind zu ambitioniert

Von | 9. Mai 2025

Der sogenannte grüne Wasserstoff gilt als Alleskönner der Energiewende, auch Fachleute halten ihn für einen bedeutenden Energieträger der Zukunft. Dementsprechend hat die EU ambitionierte Ziele für eine Wasserstoffstrategie formuliert. Schon 2030 soll der umweltfreundliche Energieträger die fossilen Brennstoffe Öl, Gas und Kohle weitgehend ersetzen. Eine brisante Studie zeigt nun auf, dass dieser Traum eher weltfremd ist. (focus, 06.05.2025)

Energiesicherheit im Fokus

Ein gemeinsames Gutachten des EWI (Energiewirtschaftliches Institut der Universität Köln) und des CASSIS an der Universität Bonn (Center for Advanced-Security, Strategic and Integration-Studies) untersuchte die Frage, ob sich mit grünem Wasserstoff tatsächlich EU-weit eine Energiesicherheit erreichen lässt, die konventionelle Brennstoffe überflüssig macht. Die Forscher bezogen dabei die jüngsten geopolitischen und -ökonomischen Rahmenbedingungen seit dem Jahr 2020 mit ein. Der Head-Autor Frank Umbach, Politikwissenschaftler mit den fachlichen Schwerpunkten Sicherheitspolitik und Energiesicherheit, warnt im Fazit vor überzogenen Erwartungen der EU-Kommission. Umbach ist Forschungsleiter des EUCERS an der Uni Bonn (Europäisches Cluster für Klima-, Energie- und Ressourcensicherheit).

Studie warnt: Die EU-Ziele für grünen Wasserstoff bis 2030 sind unrealistisch – geopolitische Risiken und wirtschaftliche Hürden gefährden die Strategie.

Die großen Vorzüge von grünem, also per Elektrolyse mithilfe von erneuerbaren Energien gewonnenem Wasserstoff stellen die Forscher keinesfalls in Abrede. Er würde den überschüssigen Strom bei zu viel Sonne und Wind speichern und gleichzeitig hoch verdichtete Energie für die Industrie, die Wärmeversorgung und den Verkehr liefern. Mit diesen physikalisch-technischen Möglichkeiten vor Augen beschloss die EU-Kommission, bis 2030 in der EU 40 Gigawatt Elektrolyseurkapazität zu installieren sowie je zehn Millionen Tonnen Wasserstoff selbst zu produzieren und zu importieren. Vor allem Letzteres erscheint aus der Sicht des Jahres 2025 als fragwürdig: Es würde die Importabhängigkeit der Union fortschreiben, die sich zuletzt bei russischem Gas als überaus fatal erwiesen hat. Die geopolitischen Risiken beim Wasserstoff sind nicht kleiner. Mindestens die Hälfte des Rohstoffs zu importieren widerspricht damit dem erklärten Ziel der Energiesicherheit.

Wasserstoffziele der EU derzeit nicht erreichbar

Die EU wird ihre ehrgeizigen Wasserstoffziele für 2030 wohl abschreiben müssen, so das Fazit der Studie. Unter den derzeitigen Umständen seien sie nicht erreichbar, schreiben die Wissenschaftler, was auch direkt an den unzureichenden Investitionen ablesbar sei. Dies treffe übrigens auch im globalen Maßstab zu. Hierfür gibt es mehrere Gründe:

Die europäische und globale H₂-Nachfrage hat sich erheblich verringert. Das liegt auch an neuen Technologien unter anderem im Gebäude- und Verkehrssektor, die eine ebenfalls umweltfreundliche und noch kostengünstigere Energieversorgung ermöglichen.

Die Material- und Arbeitskosten sind gestiegen.

H₂-Exportländer, auf welche die EU gesetzt hatte, erkennen inzwischen ihren eigenen Bedarf an Wasserstoff für die Dekarbonisierung.

Die Rentabilität von H2-Projekten ist für die Industrie gesunken. Daraus ergeben sich neue Schwierigkeiten für die private Finanzierung.

Auch die staatlichen Subventionen genügen längst nicht.

Aus diesen Faktoren schlussfolgert die Studie, dass grüner Wasserstoff nicht wie erhofft um das Jahr 2030 wettbewerbsfähig sein wird. Dies gilt vor allem im Vergleich mit dem blauen Wasserstoff, der aus fossilen Quellen stammt und/oder mit ihrer Energie gewonnen wird, weshalb er viel weniger umweltfreundlich ist. Mit aktuellem Stand kostet in Europa eine Tonne grüner Wasserstoff doppelt so viel wie das Äquivalent der blauen Variante. Doch auch im Vergleich mit Erdgas schneidet grüner Wasserstoff immer schlechter ab. Durch das bestehende LNG-Überangebot werden die Erdgaspreise wahrscheinlich ab 2026, spätestens aber ab 2027 stark sinken. Gas wäre dann die deutlich kostengünstigere Variante.

Welche Rolle spielt die neue Weltordnung?

Wir erleben eine geopolitische Zeitenwende, die unter anderem zur Fragmentierung globaler Märkte und teilweise zu einer Unterbrechung von Lieferketten führt. In dieser Situation muss die EU auf eine Resilienz ihrer Versorgungssicherheit bedacht sein. Potenzielle Wasserstoffexportländer liegen in Afrika, im Nahen Osten und in Lateinamerika. Diese Regionen sind von der nationalistischen und protektionistischen Politik der wichtigsten Großmächte stark betroffen. Diese sind:

USA

China

Russland

Indien

So investiert China schon lange in Afrika und Lateinamerika, die USA unter Trump erpressen kleinere Länder mit Zöllen, Russland operiert sogar mit Söldnertruppen in den genannten Regionen. Damit besteht die Gefahr, dass ein Wasserstoffimport aus solchen Staaten schnell ins Stocken geraten könnte. Die EU sollte daher H₂-Importabhängigkeiten dringend vermeiden, resümiert die deutsche Studie.

Der Plan der EU, weite Teile der Industrie, des Verkehrs und der Wärmeversorgung mit Energie aus grünem Wasserstoff zu versorgen, darf als gescheitert gelten. Auf jeden Fall ist das Zieljahr 2030 nicht zu halten, doch darüber hinaus könnten sich alternative Technologien als effizienter erweisen.

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