Offshore-Windkraft galt als Schlüsseltechnologie der Energiewende. Doch der Ausbau stockt. Sinkende Strompreise, teure Komponenten und ein veraltetes Ausschreibungsmodell bremsen Investoren aus. Im Juni meldeten sich bei einer Auktion für Nordsee-Flächen nur zwei Bieter. Der Zuschlag ging zu einem Bruchteil des Vorjahrespreises an TotalEnergies. Karina Würtz, Geschäftsführerin der Stiftung Offshore-Windenergie, warnt vor einem Scheitern der Ausbauziele (ntv: 05.07.25).
Offshore-Windkraft verliert an Attraktivität
Noch 2023 investierten Bieter über zwei Milliarden Euro in Offshore-Flächen. Zwei Jahre später genügten 180 Millionen Euro. Verantwortlich sind steigende Stahlpreise und niedrigere Strompreise infolge des Solarbooms. Immer häufiger sinken die Börsenpreise ins Negative – ein Desaster für neue Großprojekte.
Der Solarboom drückt Strompreise und gefährdet die Offshore-Windkraft. Ohne Kurswechsel bricht der Ausbau weiter ein
Ein weiteres Risiko ergibt sich aus geopolitischen Spannungen. Chinesische Komponenten gelten als günstig, könnten aber durch neue Sicherheitsregeln bald nicht mehr zulässig sein. Fernwartungsfähige Bauteile eröffnen potenzielle Einfallstore für Manipulationen. Die zuständigen Behörden prüfen derzeit ein mögliches Bauverbot.
Ausschreibungen ohne Planungssicherheit
Die Offshore-Windkraft leidet nicht nur unter äußeren Einflüssen. Auch strukturelle Probleme belasten die Branche. In Deutschland fehlen geeignete Hafenflächen, die Logistik wird teuer. Hinzu kommt ein Ausschreibungsdesign ohne Verbindlichkeit: Unternehmen können vier Jahre lang vom Projekt zurücktreten, obwohl sie den Zuschlag erhalten haben.
Ein weiteres Problem liegt in der Preisbildung. Das Merit-Order-Prinzip sorgt dafür, dass selbst effizient erzeugter Windstrom unter die Rentabilitätsschwelle rutscht. Je mehr Erneuerbare ins Netz gelangen, desto häufiger sinkt der Preis ins Minus. Investitionen rechnen sich unter diesen Bedingungen kaum.
Contract for Difference als Ausweg
Karina Würtz schlägt ein neues Modell vor: den „Contract for Difference“. Dieses Konzept garantiert einen stabilen Vergütungspreis. Bei niedrigen Marktpreisen gleicht der Staat die Differenz aus, bei hohen Preisen fließt Geld zurück. England nutzt dieses System bereits erfolgreich.
Gleichzeitig plädiert Würtz für eine europäische Industriepolitik. Der massive Preisvorteil chinesischer Hersteller entsteht nicht nur durch günstige Produktion, sondern auch durch staatliche Subventionen und langfristige Zahlungsziele. Europäische Firmen können mit solchen Bedingungen kaum mithalten.
Offshore-Ausbau bleibt unverzichtbar
Trotz des Solarbooms bleibt Offshore-Windkraft essenziell. Die Stromerzeugung aus Wind und Sonne ergänzt sich ideal. Im Sommer übernehmen Solaranlagen, im Winter liefern Windparks verlässlich Energie. Für eine stabile Versorgung benötigt Deutschland beide Technologien.
Allerdings steht in der Nordsee nur begrenzter Raum zur Verfügung. Zu eng gebaute Parks verschatten sich gegenseitig und reduzieren die Stromausbeute. Gespräche mit Dänemark über gemeinsame Projekte könnten Abhilfe schaffen – bislang fehlt jede diplomatische Initiative.
Politik muss Rahmenbedingungen überdenken
Der Preisverfall bei der letzten Auktion zeigt den Ernst der Lage. Die Branche sendet ein klares Signal: Ohne Reformen droht der Stillstand. Karina Würtz sieht Wirtschaftsministerin Reiche in der Pflicht. Als erfahrene Energiemanagerin dürfte sie die strategische Bedeutung der Offshore-Windkraft erkennen – nicht nur für die Stromversorgung, sondern auch für Beschäftigung und Wertschöpfung in Deutschland.
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