Einstieg Chinas ins deutsche Gasnetz gefährdet Europas Energiehoheit

Von | 19. Juli 2025

Die Beteiligung des italienischen Netzbetreibers Snam an Open Grid Europa sorgt für politischen Alarm. Grund dafür ist der mögliche Einstieg der chinesischen State Grid Corporation of China (SGCC) über eine indirekte Beteiligung. Die Bundesregierung prüft den Vorgang unter dem Verdacht, dass kritische Infrastruktur betroffen ist. Das Wirtschaftsministerium betrachtet den Einstieg als sicherheitspolitisch brisant und spricht intern von einem „sehr heiklen“ Vorgang (fr: 15.07.25).

Strategischer Einstieg mit geopolitischer Sprengkraft

Für rund 920 Millionen Euro soll Snam knapp 25 Prozent an OGE übernehmen. Damit würde ein Unternehmen einsteigen, das durch eine Holding mit chinesischer Beteiligung verknüpft ist. OGE betreibt das zentrale Rückgrat des deutschen Gasnetzes – mit 12.000 Kilometern Leitungslänge. Zwei Drittel des nationalen Gasbedarfs laufen durch dieses Netz. Das Unternehmen betont selbst: „Gerade bei einer zuletzt notwendigen größeren Diversifizierung der Erdgasversorgung leisten wir einen elementaren Beitrag zur Versorgungssicherheit.“

Chinas geplanter Einstieg ins deutsche Gasnetz alarmiert Berlin – droht eine neue energiepolitische Abhängigkeit über Umwege?

Der Einstieg hätte nicht nur technischen, sondern auch politischen Einfluss. OGE ist mit neun europäischen Nachbarstaaten sowie einem LNG-Terminal in Wilhelmshaven verbunden. Besonders engmaschig zeigt sich das Netz in Nordrhein-Westfalen, während Richtung Osten und Norden nur wenige Leitungen verlaufen.

China plant globalen Zugriff auf Energieinfrastruktur

Chinas Strategie hinter dem Einstieg ist kein Einzelfall. Die Global Interconnection Initiative des chinesischen Präsidenten Xi Jinping soll weltweit ein vernetztes, elektrisch zentriertes Energiesystem aufbauen. SGCC agiert dabei als globaler Akteur mit massiven Investitionen. Über Tochterunternehmen sichert sich der Konzern strategische Beteiligungen, stets mit dem Ziel: Einfluss und Kontrolle.

Analysten verweisen auf ähnliche Fälle in Portugal und Griechenland. Auch dort begann der Einstieg mit Minderheitsbeteiligungen und mündete in dominanten Einfluss. Eine wiederholte Abhängigkeit – diesmal nicht von russischem Gas, sondern von chinesischen Interessen – wäre die logische Folge.

Dumpingpreise als geopolitisches Werkzeug

Ein zentrales Risiko liegt in der Marktverzerrung. Experten warnen, dass China über ein erweitertes Netz billige Energie nach Europa exportieren könnte – zu Preisen, die westliche Anbieter unter Druck setzen. Bei Solarmodulen und Windkraftanlagen ist dieses Vorgehen bereits Realität. Ein vergleichbares Szenario beim Erdgas hätte gravierende Folgen für Preisstabilität und Wettbewerbsfähigkeit.

Länder wie Frankreich und Deutschland verschärfen deshalb ihre Strategien im Umgang mit China. Nationale Prüfverfahren erhalten neue Relevanz, doch Experten fordern eine europäische Lösung. Denn Infrastruktur kennt keine Landesgrenzen – politischer Schutz muss grenzüberschreitend organisiert sein.

Energieinfrastruktur braucht klare rote Linien

Der aktuelle Einstieg zeigt, wie eng wirtschaftliche Interessen mit sicherheitspolitischen Fragen verflochten sind. Beteiligungen an kritischer Infrastruktur dürfen kein Einfallstor für geopolitische Einflussnahme darstellen. Europa muss seine Energienetze schützen – nicht nur technisch, sondern auch regulatorisch.

Ob die Beteiligung genehmigt wird, bleibt offen. Doch der Fall OGE verdeutlicht: Energiehoheit beginnt beim Eigentum der Leitungen. Wer hier zu leichtfertig agiert, riskiert eine strukturelle Abhängigkeit, die sich nur schwer rückgängig machen lässt. Der Einstieg Chinas könnte mehr verändern als nur ein paar Prozentpunkte auf einem Aktionärsregister.

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