Startups treiben den Wettlauf um die Kernfusion voran

Von | 13. September 2024

Während sich ein großes europäisches Kernfusionsprojekt weiter verzögert, drängen private Unternehmen darauf, in den nächsten 10 bis 20 Jahren funktionierende Fusionsreaktoren zu entwickeln. Diese Startups wollen mit innovativen Ansätzen und technologischem Fortschritt den ersten CO2-freien Strom liefern, lange bevor staatliche Projekte wie Iter ihre Ziele erreichen (nzz: 10.09.24).

Gravierende Probleme bei staatlichen Forschungsprogrammen: Wird der Kernfusionsreaktor Iter jemals Strom liefern?

Der internationale Kernfusionsreaktor Iter im südfranzösischen Cadarache, den 33 Staaten finanzieren, kämpft mit gravierenden Problemen bei zentralen Bauteilen. Laut aktuellem Zeitplan könnte Iter frühestens im Jahr 2039 mehr Energie erzeugen, als zur Heizung des Plasmas nötig ist. Doch diese Anlage ist nicht dazu gedacht, Strom ins Netz einzuspeisen. Das soll erst ein späterer Reaktor, genannt Demo, leisten.

Innovative Startups arbeiten daran, in den nächsten 10-20 Jahren funktionierende Fusionsreaktoren zu entwickeln
Bild: KI-generiert

Startups drängen auf schnellere Lösungen

Viele Startups halten diesen Zeitplan für zu langsam. Weltweit arbeiten rund 45 Unternehmen an der Entwicklung von Kernfusionsreaktoren, die bereits in den 2030er oder 2040er Jahren Energie liefern sollen. Sie verfolgen dabei unterschiedliche Ansätze: Während einige auf heiße Plasmen setzen, die mit extrem starken Magneten eingefasst werden, nutzen andere die neu gefeierte Methode, Wasserstoffkügelchen mit Laserstrahlen zu beschießen.

Der Bedarf an Elektrizität wächst stetig, und erneuerbare Energien allein könnten nicht ausreichen, um die Nachfrage stabil zu decken. „Erneuerbare Energie plus Strom und grüner Wasserstoff aus Kernfusion – das wäre meiner Ansicht nach der beste Mix für eine wirklich nachhaltige Energieversorgung“, betont Frank Laukien, CEO von Bruker und Initiator von Gauss Fusion.

Gauss Fusion, ein Unternehmen, das von fünf europäischen Firmen gegründet wurde, plant, bis 2045 den ersten großen Fusionsreaktor namens Gauss Giga zu bauen. Die Suche nach geeigneten Standorten läuft bereits in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München.

Finanzierungswelle für Fusionsstartups

Im Jahr 2023 flossen weltweit rund 900 Millionen Dollar in Kernfusionsfirmen. Diese Summe kam jeweils zur Hälfte von privaten Investoren und staatlichen Fördermitteln. Insgesamt erhielten die Startups bisher etwa 7,1 Milliarden Dollar, um ihre ehrgeizigen Projekte zu realisieren.

Besonders stark vertreten sind Fusionsfirmen in den USA, doch auch Europa hat einiges zu bieten. Das junge Unternehmen Proxima Fusion, ein Spin-off des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik, entwickelt in München einen Demonstrationsreaktor, der bereits in den 2030er Jahren in Betrieb gehen soll. Proxima Fusion setzt dabei auf das Stellarator-Konzept, eine Weiterentwicklung der herkömmlichen Tokamak-Technologie, die einen kontinuierlicheren Betrieb ermöglicht und weniger Energie für die Magnetfelder benötigt.

In Deutschland betreibt das Max-Planck-Institut bereits einen wissenschaftlichen Versuchs-Stellarator. Dies bietet Proxima Fusion und Gauss Fusion eine solide Grundlage für ihre Entwicklungen. Anfang 2023 konnte ein Plasma im Greifswalder Stellarator acht Minuten lang stabil gehalten werden. Ziel ist es, diese Zeitspanne auf 30 Minuten zu erhöhen, um langfristig einen reibungslosen Dauerbetrieb zu gewährleisten.

Herausforderungen auf dem Weg zur Kernfusion

Obwohl die Fortschritte in der Kernfusion beachtlich sind, stehen große Hürden noch bevor. Eine der größten Herausforderungen bleibt die Sicherung des Nachschubs an Tritium. Das schwere Wasserstoffisotop ist für die Fusion dringend erforderlich. Deuterium, ein weiteres Isotop, kann aus Wasser gewonnen werden, aber Tritium ist in der Natur extrem selten. Der Plan, Tritium in den Reaktorwänden aus Lithium zu erzeugen, hat bisher nur im Labor funktioniert.

Auch im Bereich der Laserfusion sind deutsche Firmen aktiv. Focused Energy in Darmstadt investiert stark in diese Technologie. Ihr Ziel ist es, winzige Wasserstoffkügelchen mit Laserstrahlen zu beschießen, um die Fusion zu starten. Ein einziges dieser Kügelchen soll genug Energie enthalten, um die Reichweite eines Tesla Model S um 600 Kilometer zu erweitern. Die erste kommerzielle Anlage für Laserfusion plant das Unternehmen bereits für die 2030er Jahre.

Trotz des enormen Kapitals, das in die Kernfusion fließt, ist der Erfolg keineswegs sicher. Selbst Befürworter dieser Technologie raten davon ab, die Kernfusion fest in die Energiewende einzukalkulieren. Die technischen und wirtschaftlichen Risiken bleiben groß. Dennoch könnte die Kernfusion langfristig ein entscheidender Baustein im globalen Energiemix sein.

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